Tôgô Shigenori 東郷茂徳 (1882-1950), Diplomat und Außen- minister Japans 日本の外交官、日本の外務大臣

Shigenori Tôgô

von Dr. Alexander Bürkner


   

Die deutsche Ehefrau von Shigenori Tôgô, Edith Tôgô, geb. Giesecke, verwitwete de Lalande, ihre Tochter aus erster Ehe, Heidi de Lalande (rechts) und deren Tochter Ise Tôgô (links) aus einer unbekannten japanischen Quelle.



An der Stelle des heute nicht mehr existierenden Geburtshauses von Shigenori Tôgô in Naeshirogawa, Präfektur Kagoshima, wurde das "Shigenori Tôgô Museum" 東郷茂徳記念館







Shigenori Tôgô 東郷茂徳, geboren in einem kleinen Dorf auf Kyûshû, hat eine der erstaunlichsten Politiker Laufbahnen im Japan des 20. Jahrhunderts aufzuweisen. Aus der koreanischen Minderheit stammend, schaffte es der Berufsdiplomat zweimal bis zum Amt des Außenminister seines Landes. Doch am Ende seiner beeindruckenden Karriere stand ein persönlich und beruflich tragisches Ende.

Sein Lebensweg war seit seiner Jugendzeit eng mit deutscher Kultur, Bildung und Zeitgeschichte verbunden. Dreimal war er auf Posten in der japanischen Botschaft in Berlin, darunter auch als Botschafter. Treu zur Seite standen ihm bis zu seinem Tod seine deutsche Ehefrau Edith Tôgô, verwitwete de Lalande, geb. Giesecke, aus Lehrte in Westfalen, und deren gemeinsame deutsch-japanische Tochter, Ise (Iseko) Tôgô.

Ein Vorfahre von Shigenori Tôgô aus der Familie Pak war unter Toyotomi Hideyoshi  豊臣秀吉 (1537 – 1598) als koreanischer Handwerker ca. 300 Jahre vor seiner Geburt in dem Imjin-Krieg  文禄・慶長の役 im Jahr 1598 mit einigen Dutzend anderen Landsleuten nach Japan gelangt (Quelle linke Abbildung).

Dort lebte seitdem die koreanische Familie Pak in dem Dorf Naeshirogawa 苗代川, Region Hioko, Gemeinde Shimoijûin 鹿児島県日置郡下伊集院村.

Für das spätere Leben von Shigenori Tôgô aus dem Hause Pak war sicher von Bedeutung, dass er zwar aus diesem kleinen Dorf stammte, das im Lehensgebiet des Shimazu Clans 島津 in Süd Kyûshû (heute Präfektur Kagoshima) lag. Doch von hier hatten sich im Jahr 1865 noch zur Zeit des Verbotes für Japaner ihr Land zu verlassen (sakoku 鎖国) einige junge Männer unerlaubt nach Singapur aufgemacht. Nicht wenige von ihnen hatte dieser Ausbruch in der Folge zu treibenden Kräften der Modernisierung und der Einbindung Japans in die internationale Welt gemacht: Zu nennen sind z.B. der erste Präsident der Eliteuniversität Tôkyô (Tôdai  東大), Yoshinori Hatakeyama, und der erste Kultusminister Japans, Arinori Mori 森有礼 (1847-1889).

Der Lebensweg aus jener ländlichen Dorfgegend heraus in die internationale Welt des - eine Generation nach diesen Persönlichkeiten geborenen - Shigenori Tôgôs gründete von hier auf einer lokalen Tradition mit Vorbildcharakter für den jungen Mann.

Die im 16. Jahrhundert nach Japan gekommenen Koreaner hatten u.a. ihre hervorragende Technik zur Herstellung von Keramik mitgebracht, aus der sich in Naeshirogawa die Satsuma Keramik 薩摩焼 entwickelte. Auf der Weltausstellung in Paris 1867 hatte das Lehen Satsuma - sogar unabhängig von der Zentralmacht - teilgenommen und die Satsuma Keramik in Europa ausgestellt - ein weiterer Beleg für die internationale Ausrichtung dieser lokalen Region Japans. Zu diesen Keramikern gehörte auch die Familie Pak.


Quelle obiges Foto "Satsuma Pavillon in Paris 1867"

Nach japanischen Quellen waren die Koreaner durch die Satsuma Familie in Japan gut aufgenommen und protegiert worden. Sie durften hier auch über Jahrhunderte ihre koreanische Kultur und Sprache bewahren. Die koreanische Minderheit in Japan 在日韓国・朝鮮人 wurde erst nach der Meiji Restauration 1868 zunehmend diskriminiert.

Diese Ausgrenzung führte dazu, dass in Japan lebende Koreaner im Zuge einer Namensreform in Japan ihren koreanischen Namen in japanische Namen änderten, um sich in die japanische Umwelt voll zu integrieren. Nach dem deutschen Historiker Gerhard Krebs hatte sich die zu Wohlstand und Ansehen gekommene Familie Pak entsprechend dieser gewandelten Lebenslage 1886 in eine ehemalige japanische Samurai-Familie mit Geld „eingekauft“ 士族株購入 und hatte ihren, nun „kompromittierenden koreanischen Namen“ Pak abgelegt, um den japanischen Namen Tôgô 東郷 anzunehmen.

Bei Shigenori, der unter dem koreanischen Namen "Mudok Pak" als ältester Sohn der Familie Pak, nunmehr Tôgô, zur Welt gekommen war, wurde 1886 auch der Vorname entsprechend dessen japanischer Aussprache des chinesischen Schriftzeichens von dem koreanischen "Mudok" in "Shigenori" geändert - ohne dass die chinesischen beiden Zeichen 茂徳 geändert werden mußten.


Shigenori Tôgô wurde trotz dieses ethnischen "Malus" der wohl zu Lebenszeit hochrangigste, koreanischstämmige Amtsträger des japanischen Kaiserreiches neben nur wenigen anderen Beispielen: Wie oben erwähnt wurde er zweimal Außenminister Japans (Oktober 1941 - September 1942 und April – August 1945).

Diese kurzen Zeiträume seines Eintritts in die Regierung waren historisch herausragend: Unter Premierminister Hideki Tôjô  東條英機 fiel in seine erste Amtszeit der Angriff der Japaner auf Pearl Harbour, in die zweite Amtszeit unter Premierminister Kantarô Suzuki  鈴木貫太郎内閣 die Erklärung des Tenno zur Beendigung des Pazifischen Krieges. Dazu war Shigenori Tôgô mit Ausbruch des Krieges Japans mit China 1937 Mitglied des höchsten japanischen Staatsorganes, dem Obersten Beraterstabes der Kriegsführung (Supreme Council for the Direction of War   軍事参議官会議 Gunji Sangikan Kaigi) geworden.

Eine gewisse Laune des Schicksals mag man darin erkennen, dass der deutsche Architekt Georg de Lalande, der erste Ehemann von Shigenoris  Ehefrau, Edith de Lalande, das Gebäude, in dem die japanischen Herrscher nach der Annexion Koreas 1910 nach Fertigstellung im Jahr 1926 ihre Macht ausübten, entworfen hatte.

Shigenori Tôgô war am 10. Dezember 1882 in dem oben erwähnten kleinen Dorf Naeshirogawa, Region Hioki in der heutigen Präfektur Kagoshima 鹿児島県日置郡下伊集院村 geboren worden.

Sein Vater war Jukatsu Boku 朴壽勝 (Jukatsu Tôgô) (1855-1936). Dieser war nicht nur selbst ein hervorragender Keramiker, sondern verkaufte als erfolgreicher Geschäftsmann die Satsuma-Keramiken seiner Heimat in ganz Japan, darunter in Kôbe und Yokohama auch an Ausländer. Man kann hier durch die Begegnungen mit Ausländern in Japan eine weitere Quelle des späteren Auslandsbezuges des Lebensweges seines berühmten Sohnes vermuten.

Nach dem Schulbesuch schrieb sich Shigenori an der heutigen Kagoshima Universität 鹿児島大学 ein. Dort lassen sich erste, rückwirkend betrachtet, schicksalhafte Zusammenkünfte mit Personen konstatieren, die in seinem späteren Lebensweg bedeutsam waren:

Einer seiner Jugendfreunde bis ins Alter war sein Mitschüler, der spätere "König der japanischen Landwirtschaftspolitik", Tadaatsu Ishiguro 石黒忠篤 (1884-1960). Er wurde im Jahr 1945 Landwirtschaftsminister im letzten Kriegskabinett Japans unter Kantarô Suzuki, dem auch Shigenori Tôgô als Außenminister angehören sollte.

Eine tiefer gehende Begegnung Shigenoris war die mit dem Germanisten Masao (Kosen) Katayama 片山正男「孤村」 (1879 - 1933), seinem Deutsch-Lehrer am Gymnasium in Kagoshima. Unter seinem Einfluß studierte Shigenori Togô ab 1904 „Deutsche Literatur“ an der genannten Kaiserlichen Universität Tôkyô: „His interest in Germany would define the course of his life.“ Zu diesem Deutsch-Bezug der Jugendzeit gehörte auch der japanische Germanist, Shinnichirô (Chikufû) Tobari 登張竹風 (1873-1955), der u.a. ein "Deutsch-Japanisches Wörterbuch" herausgegeben hatte.

Alle drei Männer bildeten auch nach dem Studium eine freundschaftliche Gruppe.

Zu Shigenori Tôgôs Förderern in den Jahren seiner späteren Karriere gehörte der bis in die Zeit nach 1945 in der japanischen Politik sehr einflussreiche Nobuaki Makino 牧野伸アキ (1861 -1949), der auch aus Satsuma stammte. Makino war weltläufiger und liberalen Ideen aufgeschlossener Staatsmann, der im In- und Ausland seiner Heimat hohe Posten bekleidet hatte. Er galt als enger Vertrauter des japanischen Kaisers. Wegen seiner liberalen Einstellung hatten junge rechtsradikale Offiziere - erfolglos - ein Attentat auf ihn versucht durchzuführen.


Nobuaki Makino (Quelle Foto Ausschnitt, Shigenori-Tôgô-Museum, Naeshirokawa)


Daß Shigenori Tôgô trotz dieses geisteswissenschaftlichen Studiums und Interesses dann eine berufliche Laufbahn nicht als Germanist, sondern im diplomatischen Dienst anstrebte, führt der Historiker Gerhard Krebs auf die patriotischen Nachwehen des Sieges Japans im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05 zurück. Wurde er doch gerade in die Zeit hinein geboren und wuchs zum Mann heran, in der Japan durch die von der Meiji Regierung forciert betriebene Industrialisierung und durch Siege in dem Chinesisch-Japanischen Krieg 1894/95 und dem erwähnten Russisch-Japanischen Krieg glaubte, zu den westlichen Großmächten aufgeschlossen zu haben.

Das Studium der deutschen Literatur und Kultur sollte auf sein politisches Denken und Wirken noch Jahrzehnte später große Wirkungskraft entfalten: Seine Zuneigung zu deutscher Bildungsklassik und Musik setzte ihn in den 1930er Jahren in seiner Zeit als hoher Beamter im japanischen diplomatischen Dienst und als japanischer Botschafter in Deutschland in geistigen und politischen Gegensatz zu den unzivilisierten Kulturzerstörern, den Nationalsozialisten, die zu dieser Zeit die Macht übernommen hatten. Seine Abneigung gegen die nationalsozialistischen Machthaber  soll einer der Gründe gewesen sein, dass er diesen Posten frühzeitig auf deutschen Druck hin verlor.

Auch nach seiner Rückkehr nach Japan in hohe Positionen des Aussenministeriums war er den offiziellen deutschen Vertretern des nationalsozialistischen Deutschlands in Japan offensichtlich suspekt, wie Eta Harich-Schneider (1897-1986) in ihren Memoiren berichtet: „Am 20.Mai …nahm mich Generalkonsul Balser ins Gebet: Er habe von Ott (=damaliger deutscher Botschafter in Japan) den Auftrag, mich vor japanischen Diplomaten, ganz besonders aber vor Außenminister Togo und dessen Familie, zu warnen. Togo sei ein deutschfeindlicher Kriegsgegner.“ (Harich-Schneider (2), S.235).


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Nach drei verschiedenen Anläufen (Gerhard Krebs (6) ), was bei den sehr schwierigen japanischen Eintrittsexamen nicht unüblich ist, hatte Shigenori Tôgô 1912 das Examen zur Aufnahme in den diplomatischen Dienst Japans geschafft und war in das Außenministerium Japans eingetreten.




Shigenori Tôgô bei Eintritt in das japanische Auswärtige Amt (Japanische Fotoquelle aus einer unvollständigen Loseblattsammlung, deren Herkunft bisher nicht identifiziert wurde)

Ersten Auslandsposten im diplomatischen Dienst von Shigenori Tôgô waren 1913 Mukden in der Mandschurei (heute Shenyang), 1916 Bern und nach dem Ende des 1. Weltkrieges, in dem Japan bekanntlich gegen Deutschland kämpfte, im Jahr 1919 Berlin. Der Botschafterposten wurde dort durch Japan erst 1921 wieder besetzt.

 

Japanische Botschaft in Berlin Ende der 1930er Jahren, an deren Errichtung das deutsch-japanische Botschafterehepaar Tôgô mitwirkten (japanische unbekannte Quelle)

 

In Berlin lernte Shigenori in dieser Zeit seine oben genannte, zukünftige deutsche Ehefrau, Edith de Lalande, kennen.



Ab 1921 wurde Shigenori Tôgô Leiter der UdSSR-Abteilung im japanischen Außenministerium.

Von 1926 bis 1929 war Shigenori Tôgô auf Posten in der japanischen Botschaft in Washington.

Von1929 bis 1932 wurde er wieder in die japanische Botschaft in Berlin entsandt.

Nach seiner Rückkehr aus Berlin übernahm Shigenori Tôgô die Leitung des Europa-Amerika-Büros 欧米局長 im japanischen Außenministerium in Tôkyô.

Heutige japanische Botschaft im selben Vorkriegsgebäude

 

Von 1937 bis 1938 folgte die Bestallung zum japanischen Botschafter in Berlin - sein dritter Einsatz in Deutschland.

In diese Zeit fielen die Planungen zum Umzug der japanischen Botschaft in das neue Gebäude(1) (2) in der Tiergartenstrasse in Berlin, an dessen Konzeption nicht nur der japanische Botschafter selbst sondern auch seine Frau Edith Tôgô aktiv mitgewirkt haben sollen (Tôgô (10), S.173). Nach dem 2. Weltkrieg wurde das beschädigte Gebäude wieder aufgebaut. Ab November 1987 ging es in die Nutzung durch das Japanisch Deutsche Zentrum Berlin (DJZB). Nach der Wiedervereinigung wurde die Japanische Botschaft von Bonn in die Hauptstadt Berlin verlegt und zog in das traditionsreiche Gebäude ein.

Interessant an diesem Gebäude ist das kaiserliche Chrysanthemen-Siegel 菊花紋章 (Kikukamonjô) im Giebel des Botschaftsgebäudes. Da dem Tennô nach dem 2. Weltkrieg entsprechend der neuen japanischen Verfassung nur noch eine Rolle als Symbol Japans mit geringen Machtbefugnissen zugeschrieben wurde, ist es verwunderlich, dass die offizielle Vertretung Japans in Berlin von dem alten kaiserlichen Staatssymbol geziert ist, das auf seine absolute Machtstellung und seine Göttlichkeit hinweist (siehe zum Tennô das Lebensbild Lokowandt).



Da Tôgô und seine Ehefrau Edith von den Nationalsozialisten nicht willkommen waren - wie oben erwähnt - , folgte schon nach kurzer Amtszeit in Berlin im November 1938 die Ernennung zum japanischen Botschafter in der UdSSR. In Moskau war er bis Oktober 1940 auf Posten und kehrte dann nach Japan in das Außenministerium zurück.

Es folgte der Höhepunkt seiner diplomatischen Laufbahn: In schwierigster Zeit für Japan wurde er in die Regierung berufen und an die Spitze des Außenministeriums gestellt. Zerrissen zwischen dem patriotischen Pflichtgefühl seiner Lebensepoche, die von dem Stolz des nationalen Aufstieges Japans in die internationale Welt geprägt war, einerseits und und andererseits seiner, an der deutschen Klassik ausgerichteten, geistig liberalen Grundeinstellung endete dieser äußerlich grandiose Lebensweg in einer historischen und damit auch für ihn individuellen Katastrophe:

Von Oktober 1941 bis September 1942 wurde Shigenori Tôgô als Außenminister in das Kabinett Tôjô 東條内閣 berufen.

Die zweite Amtszeit als Außenminister folgte kurz vor Ende des 2. Weltkrieges von April bis August 1945 im Kabinett Kantarô Suzuki 鈴木貫太郎.


Nach der Niederlage seiner japanischen Heimat im Krieg wurde Shigenori Tôgô 1948 durch den Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten (Kyokutô Kokusai Gunji Saiban 極東国際軍事裁判) als Kriegsverbrecher der Klasse A angeklagt und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Er fand jedoch „in der Geschichtsschreibung allgemein eine milde Beurteilung, die einerseits von seinen Ausgleichsbemühungen vor Ausbruch des Pazifischen Krieges  und seiner Suche nach einem Friedensschluss 1945 herrührte, andererseits aber auch ein Produkt der im Gefängnis verfassten apologetischen Memoiren war. Dokumente, die einer kritischen Überprüfung seiner Tätigkeit bis 1945 dienen könnte, sind äußerst spärlich." Der Historiker Gerhard Krebs stellt "die ketzerische Frage…ob dieser Mangel eigentlich Zufall ist. Jedenfalls war es Tôgô selbst gewesen, der zur Zeit der großen Aktenverbrennung bei Kriegsende das Amt des Außenministers bekleidet hatte" (Krebs).

Gerhard Krebs vermutet, dass Shigenori Tôgô unter seinem „doppelten Makel – unjapanische Herkunft und Aufnahme in den Samuraistand durch einen ‚Kunstgriff -‘ gelitten“ habe und daher zeitlebens „als schweigsam, eigensinnig, verletzlich, aufbrausend, ernst und zur Eigenbrötelei neigend“ gegolten habe: „Offenbar als Kompensation entwickelte er einen extremen Ehrgeiz und setzte sich selbst unter Erfolgsdruck.

Selbst wenn diese Charakterzuschreibungen zutreffend gewesen sein sollten, könnte man solche Eigenschaften ebenso gut auch angesichts der schlechten Startchancen von Shigenori Tôgô als in Japan geborener Koreaner und des extrem turbulenten historischen Umfeldes seiner Lebenszeit durchaus positiv interpretieren.

Die -  selbst umstrittene und schillernde - oben genannte Musikerin Eta Harich-Schneider  schreibt in ihren Erinnerungen an Japan von ihrem engen Kontakt zur Familie Tôgô und betonte die „Freundlichkeit“, die sie durch diese erfahren habe (Harich-Schneider (2), S.304).

Auch die gegen gesellschaftliche und politische Widerstände, persönlich mutige Heirat Shigenori Tôgôs mit seiner deutschen Ehefrau Edith in einer Zeit, in der solch' transkulturellen Ehen in Japan ihre zustimmende Akzeptanz der Meji-Zeit gesellschaftlich eingebüßt hatten, und das offenbar sehr gute Zusammenleben des Ehepaares Tôgô selbst nach dem tiefen Fall der ehemaligen Machthaber Japans nach dem 2. Weltkrieg sprechen für Tôgos kosmopolitischen, geistig unabhängigen und tapferen Charakter. Dieser war sicher auch von Ehrgeiz geprägt. Aber seinen steilen Karriereweg hatte er nicht zu Lasten seiner persönlichen Grundüberzeugungen beschritten.

Tôgô weist nur an wenigen Stellen in seiner Autobiographie auf seine deutsche Ehefrau hin. Aber nicht nur in den Erinnerungen seines Neffen Shigehiko Tôgô an seinen Großvater (10) werden einige Passagen aus privaten Notizen Shigenori Tôgôs zitiert, die dessen ungewöhnlich tiefe Zuneigung und Hochachtung für Edith belegen. Seine außerordentliche Wertschätzung Ediths über den emotional familiären Lebensbereich hinaus bis hin in sein professionelles Umfeld ergibt sich daraus, dass er stets von ihr begleitet war. Zusammen mit der gemeinsamen Tochter Ise hatte Shigenori Tôgô seiner deutschen Ehefrau im gesellschaftlichen Auftreten eine zentrale Rolle zugewiesen (10).

Diese Bedeutung der beiden Frauen manifestierte sich besonders auch während der Verhandlungen über die Kriegsschuld von Shigenori Tôgô während der Tokioter Kriegsverbrecherprozesse. Die erwähnte Eta Harich-Schneider, die bei den Verhandlungen teilweise als Zuschauerin anwesend war, berichtet: „Still und blaß, in königlicher Haltung, thronte Frau Togo auf dem Zuschauerbalkon. Neben ihr unerschütterlich als Adjudant Iseko (=Tochter von Edith und Shigenori Tôgô), die schon sehr jung eine von Klugheit begleitete Lebensruhe besass. …Bei jedem Auftritt warf Togo einen schnellen Blick auf die Zuschauertribüne. Frau und Tochter haben ihn nicht ein einziges Mal enttäuscht.“ (Harich-Schneider (2), S.308).

Edith Tôgô habe unermüdlich versucht, ihrem Mann in den Verfahren von Außen zu helfen: „Frau Edith klammerte sich erklärlicherweise an jeden Strohhalm.“ (Harich-Schneider (2),S.310). Leider vergeblich!


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Zur historisch übergeordneten Problematik der Kriegsschuld Japans und der verantwortlichen Personen verweisen wir auf den aktuellen wissenschaftlichen Bericht von Gerhard Krebs über wichtige  Aspekte des Standes der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieses Problemkreises, der zum Nachdenken und Überprüfen auch der immer wieder vorgetragenen Argumente anregt, die Japaner seien an einer Aufarbeitung nicht sonderlich interessiert. Gerade in Deutschland, das nicht selten etwas zu stolz die Aufarbeitung der eigenen negativen Historie im Dritten Reich und 2. Weltkrieg im Vergleich zu der in Japan herausstreicht, ist diese Arbeit sehr lesenswert (Download "Fehler, Vorurteile, Verzerrung, Verdammung: Der Pazifische Krieg aus Sicht westlicher Historiker. Zweifel" mit freundlicher Genehmigung des Metropol-Verlages Berlin und des Autors).


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Das Grab des weltläufigen Diplomaten und Außenministers Shigenori Tôgô ist auf dem Aoyama Friedhof in Tôkyô ausgehoben worden, auf dem viele von Japans berühmtesten Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe fanden, die Japans Eintritt in die Moderne unterstützten.

Gleichzeitig ist das dortige Grab seiner Ehefrau eindrucksvolles Manifest des außergewöhnlichen Lebensweges der Deutschen Edith Giesecke aus Lehrte in die große Welt bis nach Japan.

Nicht zufällig auch haben sie und ihre Tochter Ise Tôgô ihr Grab in nächster Nachbarschaft erhalten zu dem Teil des Friedhofes, auf dem zahlreiche bedeutende Ausländer aus aller Welt, vor allem auch aus Ediths Heimatland, Deutschland, begraben wurden. Jeder, der an der deutsch-japanischen Erinnerungskultur Interesse hat, sollte diesen idyllischen und geschichtsmächtigen Gedenkort in Japans Hauptstadt besuchen.





Literaturverzeichnis


(1) f.kaidofudo.exblog  Blog mit Fotografien der Gebäude Georg de Lalandes in Japan


(2) Harich-Schneider, Eta: „Charaktere und Katastrophen. Augenzeugenberichte einer reisenden Musikerin“, Ullstein: Berlin, Frankfurt am Main, Wien, 1978


(3) 広瀬毅彦  「既視感・デシャブ・の街へ・ロイヤルアーキテクトゲオログ・デラランデ・新発見作品集」 Hirose, Takehiko: „Zu Stätten 'déjà vue'. Königlich preussischer Architekt Georg de Lalande. Sammlung neu entdeckter (Bau)werke “ edition winterwork: Borsdorf: 2012


(4) 広瀬毅彦 [風見鶏 謎解きの旅 ]  神 戸新聞総合出版センター、神戸市、2009年 (Hirose Takehiko: "Kazamidori Nazatoki no Tabi", Kobe Shinbun Sôgôshuppan Sentâ, Kobe, 2009/Takehiko Hirose: "Reise zur Auflösung des Rätsels um das Haus mit dem Wetterhahn", Kobe 2009)


(5)  伊奈久喜「戦後日米交渉を担った男 外交官・東郷文彦の生涯」、中央公論新社、2011年 (Ina Hisayoshi: "Sengo Nichibeikôshô wo ninatta otoko, Gaikôkan, Tôgô Fumihiko no Shogai/Der Mann, der nach dem Krieg die japanisch-amerikanischen aussenpolitischen Beziehungen gestaltete. Der Diplomat: Der Lebenslauf von Fumihiko Tôgô), Chuokoron-Verlag 2011)
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(6) Krebs, Gerhard: "Tôgô Shigenori Kinenkai hen: Gaishô Tôgô Shigenori. 2. Bd. Tôkyô, Hara Shôbo 1985. Band 1: Tôgô Shigenori: Jidai no ichimen - Tôgô Shigenori gaikô shuki; Band 2: Hagihara Nobutoshi: Tôgô Shigenori - denki to kausetsu". OAG-Buchbesprechungen, 1.Mai 1986


(7) Meissner, Kurt: "60 Jahre in Japan. Lebenserinnerungen von Kurt und Hanni Meißner". Privatdruck, Tokyo 1961
Abruf- und lesbar in der kostenfreien Digitalen Bibliothek der OAG


(8) 東郷文彦「日米外交三十年 安保・沖縄とその後」、世界の動き社, 1982 / 中公文庫,1989 (Tôgô Fumihiko: "Nichibeigaikôsanjûnen Sanjunen, Anpô, Okinawa to sonogo/30 Jahre japanisch-amerikanische Aussenpolitik, Sicherheitsvertrag, Okinawa und danach", Sekai no Ugoki Verlag 1982)
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(9) Tôgô Fumihiko: "My Conversations with America", Embassy of Japan, 1980


(10) 東郷茂彦、「祖父東郷茂徳の生涯」、1993年  (Tôgô, Shigehiko: „Das Leben meines Großvaters Shighiko Tôgô", 1993)
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(11) 東郷イセ子、「色無き花火・東郷茂徳の娘が語る昭和の記憶」、1991年 (Tôgô Iseko:„Ironaki  hanabi: Togo Shigenori no musume ga kataru 'Showa' no kioku/"Farbloses Feuerwerk. Erinnerungen an die Showa-Epoche der Tochter von Shigenori Tôgô", 1991)
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(12) 東郷茂徳 「時代の一面・大戦外交の手記」、初刊(改造社、1952年)/ 原書英訳版,独訳版 (Tôgô Shigenori Kinenkai hen: Gaishô Tôgô Shigenori. 2. Bände, Tôkyô, Hara Shôbo 1985: Band 1: Tôgô Shigenori: "Jidai no ichimen - Tôgô Shigenori gaikô shuki"; Band 2: Hagihara Nobutoshi: "Tôgô Shigenori")


(13) Tôgô Shigenori: "Japan im Zweiten Weltkrieg. Erinnerungen des japanischen Außenministers 1942 bis 1945“. Athenäum-Verlag: Bonn,1958 (deutsche Übersetzung von Egon Heymann der englischen Ausgabe: Tôgô, Fumihiko und Blakeney, Ben.B.:„The Cause of Japan“, Simon & Schuster, New York, 1956)

 
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