Informationen & Quellen 参考文献
Im Rahmen der Ausstellung von Veronika Schäpers: “Entgrenzt”, die noch bis zum 14.9. im Klingspor-Museum Offenbach zu sehen ist, wurde mit Unterstützung des Museums ein umfangreicher zweisprachigen
Bestellungen an:
Handwerk, das zu Kunst wird: Zwischen Japan und dem Westen, Tradition und Heute
In der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Ausstellung "Auf den ersten Blick" von Veronika Schäpers vom 26. Mai bis 28. September 2014
Im
"26°57,3’N, 142°16,8’E” aus der Sammlung des Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main,
sowie mit:
“Triumph eines Hosenverkäufers" aus der Sammlung MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien.
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Pergament für den Riesen- kalamar
Der Klang des Japan-Papiers
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Bicchu-Ganpi-Papier und koreanisches Ölpapier
Mitsumata-Papier
Einband aus Kozo-Ganpi-Karton
50 Jahre altes Toshaban-Genshi-Papier
Buchdruck auf Hososhi-Papier
Tortenpapierfrottagen in Hellgrün und Pink auf einer Ganpi-Papier-Tischdecke
Papierumschlag in Anlehnung an Tatoushi (Aufbewahrungspapier für Kimonos)
Buchdruck auf Katajigami-Papier
Einband aus dunkelblauem Mitsumata-Papier mit violetten Bambusabdrucken
Schuber bezogen mit Mitsumata-Papier und Katajigami-Papier
Buchdruck in Deutsch und Japanisch in Grautönen auf Mitsumata-tsuchi-iri-Papier
Buchdruck in Deutsch und Russisch auf rotes chinesisches Papier
Japanische Heftung mit Papierfaden in einem Einband aus Kozo-Karton
Fluorezierende Druckfarbe auf Ganpi-Papier-Streifen
Umschlag aus Mitsumata-Karton
Shoen-Tusche auf Torinoko-Papier
Scharniere aus rotem Kozo-Papier
Scharniereinband aus Torinoko-Karton
Scharniere aus rotem Kozo-Papier
Mizuhiki-Papierkordel
Mitsumata-Papier und Mitsumata-Hakuai-Papier
Präsenzveranstaltung, 6.6.2013 in Berlin, "Veronika Schäpers, Buchkünstlerin"
Veronika Schäpers eine Ausnahmeerscheinung. Ein Treffen mit der Buchkünstlerin vermittelt das Empfinden, diese Persönlichkeit sei mit ihrem handwerklichen und künstlerischen Schaffen zu einem Gesamtkunstwerk zusammengewachsen. In Japan gibt es für Künstler und Handwerker die staatliche Auszeichnung eines "Lebenden Staatsschatzes 人間国宝, Ningen kokuhô". So ist der private Eindruck von ihr: Sie strahlt japanische Bescheidenheit aus, die um ihrer eigene Meisterschaft keine Worte machen muss: Ihre Werke der Buchkunst sind von herausragender Meisterlichkeit.
Feine, nahezu perfekte handwerkliche Genauigkeit zeichnet alle Künstlerbücher von Veronika Schäpers aus. Von ihr verwendete, höchst unterschiedliche Materialien aus westlichem und östlichem Kulturkreis charakterisieren ihre Künstlerbücher. Keines ist wie das andere! Diese Materialien sucht sie nicht nur aus zeitgenössischer Herstellung, sondern ebenso aus solcher vergangener Zeiten. Nicht selten lässt sie das von ihr benutzte Papier eigens für ein bestimmtes Kunstbuch von Hand schöpfen.
Die von der Künstlerin angewandten Bindetechniken variieren, sind häufig - wiederrum nicht selten unter Rückgriff auf japanische Techniken - von ihr selbst konzipiert. Auch grafische Werkzeuge stellt sie selbst her.
Veroniks Schäpers appart-intelligente Persönlichkeit schlägt den Besucher gleich zu Beginn einer Begegnung bei der Vorstellung ihrer eigenen Werke in Bann, beide verschmelzen gleichsam ineinander. Elegant und graziös enthüllt sie die viereckig in Kreuzform zugeschnittene schwarz-dumpfe Stoffverkleidung, die einen transparenten Acryl-Kasten für eines ihrer Buchkunstwerke schützend umgibt, entfernt dessen Deckel und legt, nein plaziert, ihn sorgsam und bedacht auf die Tischplatte.
Man sieht in dem Kasten zwei pedantisch präzise mit farblich gedecktem Papier umschlossene Päckchen von gleicher Größe aufbewahrt. Eines der Päckchen enthällt den deutschen Text eines Essays der in Deutsch schreibenden japanischen Dichterin Yôko Tawada 多和田葉子, das andere birgt dessen nicht übersetzte, sondern eine auf Japanisch noch einmal erzählte Fassung. Schon dieser literarische Weg der Japanerin weist auf die künstlerische Absicht auch der deutschen Buchgestalterin. Kulturelle Unterschiede zwischen Japan und dem deutschsprachigem Raum sollen - wie zum Beispiel hier in Tawadas Texten - nicht in einer immer unvollendet bleibenden Übersetzung ausgedrückt werden, sondern gleichberechtigt und selbstredend auf eine Stufe nebeneinander gestellt werden, um so im diversifizierten Gleichklang etwas Neues zu erzeugen.
Beide Texte in Form von Leporellos sind von simplen Streifen-Mustern illustriert. Diese Zeichnungen befreundeter Künstler spiegeln die dünn geschnittenen Kohl- oder Mayonaisestreifen, die als Verziehrungen oben auf dem japanischen Gericht arrangiert werden, das dem Buchprojekt von Veronika Schäpers und den Essays von Yôko Tawada den Titel gegeben hat: "Okonomiyaki お好み焼き" ('Nach Belieben braten'). Diese Speise ist nicht unbedingt der japanischen 'haute cuisine' zuzurechnen. Es ist zusammengemischt aus vielen Essens-Ingredienzien und gilt als bevorzugte Speise japanischer Volksmassen.
Aber so einfach wie das volkstümliche japanische Gericht "Okonomiyaki" auch sein mag, so ästhetisch anspruchsvoll gestaltet sind in dialektischer Umkehrung die Okonomiyaki-Streifen-Grafiken in dem Buch in ihrer Simplizität. Insofern können wir im Gegensatz zum japanischen Gericht dem besprochenen Buchkunstwerk der beiden Künstlerinnen Schäpers und Tawada durchaus zusprechen, was die Franzosen in Bezug auf ihre 'haute cuisine' formulieren: ”En cuisine, comme dans tous les arts, la simplicité est le signe de la perfection.”
Foto: Veronika Schäpers
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Es ist eine ungewollte Zeremonie, mit der die Künstlerin Veronika Schäpers ihr Werk vorstellt. Angesichts der japanischen Materialien des Buchkunstwerkes kommt dem Betrachter im Verlauf von dessen wie zelebriert erscheinender "Enthüllung" die Assoziation " Teezeremonie" in den Sinn. Es handelt sich hier jedoch um eine auch der westlichen Zivilisation traditionell nicht unbekannte, formvollendete Begegnung der Künstlerin und ihres Werkes mit dessem Betrachter, also um eine hoch zivilisiert soziale, zwischenmenschliche Begegnung in Respekt angesichts eines großen künstlerischen Werkes! Veronika Schäpers imitiert nicht japanische Kulturgeschichte mit ihren Sitten und ihrem Kunsthandwerk. Sondern sie, die in westlich-europäischer Kunst und Handwerktradition Ausgebildete und hier Verwurzelte, sucht die konstruktive Auseinandersetzung mit Japan auf einer übergeordneten Ebene.
Zwar benutzt die deutsche Künstlerin Schäpers häufig auch in anderen Buchprojekten, wie schon erwähnt, japanische Materialien, zum Beispiel Japanpapier, altes japanisches Einpackpapier oder sogar altertümliche Kopierpapiere aus Japan. Über diese Übernahme japanischer Materialität hinaus ist ihre geistige Schulung jedoch so gebildet, dass sie einer Geisteshaltung, die aus einem kulturhistorisch ganz anderen als ihrem eigenen westlichen Kulturkreis entsprungen ist, in ihrem Werk offen begegnen kann und hierauf künstlerisch antworten kann. Veronika Schäpers vermittelt uns dabei eine Idealvorstellung, wie interkulturelle Zusammentreffen erfolgreich in eine Dimension gehoben werden können, die weit von multikulturellem Kitsch purer Imitation entfernt sind.
Veronika Schäpers beschäftigt sich ebenso wie beim Einsatz breit diversifizierter handwerklicher Techniken auch mit einem weiten Spannbogen inhaltlicher Themen und Konzepte:
Die Weitzügigkeit ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit Japan umfasst traditionsbezogenen Kontexte ebenso wie sie zeitgenössische soziale Problemfelder thematisiert, so zum Beispiel die Rentenproblematik und Altersarmut in einer überalternden japanischen Gesellschaft. Sie erreicht dies durch assoziative Visualisierung japanisch grau-hässlicher Stadtsiedlungen auf Grund schwarz-weisser Kontraste in den grafischen Darstellungen und durch Verwendung zeitgenössischer Verpackungsmaterialien aus der Massenproduktion in ihrer Buchkunst. Es gelingt ihr neben einer präzisen Aufarbeitung dieser übernationalen Problematik in allen modernen Industrieländern der Welt eine landesspezifische, japanische Groteskheit von massenhaftem Rentenbetrug aufzuzeigen, die es in ihrer an schwarzen Humor grenzenden Naivität nur in Japan gibt.
Zunächst mühelos in ihrem schlichten Minimalismus erscheinend wird doch jedem Betrachter der Werke von Veronika Schäpers schnell bewusst, mit welch' ungeheuerem handwerklichen und intellektuellen Aufwand es ihr gelingt, eine zwischennationale, kulturelle Stufe darzustellen und zu verwirklichen, auf der sie ihre enorme Vielseitigkeit entfalten kann.
Foto: Veronika Schäpers
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In ihrem Werk " 26°57,3'N, 142°16,8' "erzeugt sie auf Grund einer journalistisch exakten inhaltlichen Recherche eine grafisch gestaltete Visualisierung der wissenschaftlichen Akrebie des Meeresbiologieforschers Tsunemi Kubodera 窪寺恒巳 aus Japan, der mit seinem Team den größten Kracken der Welt aufspüren, fotographieren und filmen konnte. Darüberhinaus jedoch vermag sie zu der Sichtbarmachung der wissenschaftlichen Leistung von Prof. Kubodera in ihrem Buchkunstwerk einen ganz anderen Bereich künstlerisch zu erschliessen, nämlich den einer emotional angeregten Phantasiewelt, die dem Betrachter eine freiheitliche Dimension weitschweifender Assoziationen eröffnet. So ist dieses Kunstbuch auch eindrucksvoller Beleg dafür wie Veronika Schäpers in ihrem Werk Intellekt und Sinnlichkeit vollendet Ausdruck verleihen kann.
Kongenial hat sie hier ihre handwerkliche und künstlerische Meisterleistung durch drei Gedichte des Lyrikers Durs Grünbein グリンバイン・ヅルス、又は、グリューンバイン・ドゥルス(geb. 1962) begründet - dieser selbst ein Meister der kulturübergreifenden Lyrik zwischen dem Westen und dem fernöstlichen Japan. Es gelang beiden Künstlern Buchkunst und Dichtung in einem perfekten Gleichklang zu gestalten (Kooperation mit Durs Grünbein "Bleiben").
Das Rüstzeug zu ihren Meisterwerken der modernen Buchkunst hat Veronika Schäpers nach einer Buchbinderlehre an der Hochschule für Kunst und Design in Bad Giebichenstein Halle/Saale im Fachbereich Malerei/Buch erlernt.
Eher kurzfristig nach Tôkyô durch ein Stipendium bei dem Papierhersteller Naoaki Sakamoto 坂本直昭(1) (2) gekommen als planend auf Japan vorbereitet, hat ihr vermutlich gerade ihre Unvoreingenommenheit ein tiefes Eindringen in japanisches Empfinden und Denken ermöglicht, ohne darin unterzugehen. Konstruktiv hat sie diese Erfahrungen in ihrem Handwerk und ihrer künstlerischen Konzeption umgesetzt und ist wohl eine der bemerkenswertesten kulturellen Brückenbauer zwischen Japan und Deutschland geworden.
Eine schöne Hommage widmete der japanische Papier-Meister Naoaki Sakamoto seiner deutschen Schülerin Veronika Schäpers am Ende ihrer Lehrzeit in den Vorzugsausgaben des grandiosen Sammelbuches seiner von ihm kuratierten 10 Ausstellungen zu Horst Janssen im Papier-Museum Oguni in Nagaoka (坂本直昭 『西の画人と東の紙屋』、小国芸術村会館、小国町、山野田, 長岡市、2002年) :
"Vorsehung
Einmal ging ich mit Janssen (=Horst Janssen, der Verf.) im Wald spazieren, als er zu mir sagte: Alles, was in diesem Moment passiert, ist schon seit langem vorherbestimmt.
Ich glaube, dass auch die Zusammenarbeit von Veronika und mir vorherbestimmt war.
Weil sie Deutsche ist und der Altersunterschied zwischen ihr und mir genauso groß ist wie der Altersunterschied zwischen Janssen und mir, habe ich sie als Praktikantin in meiner Werkstatt aufgenommen. Sie hat neun Monate ohne Bezahlung für mich gearbeitet.
Danach schickte ich sie zu der Papierschöpferin Torami am Shimanto Fluss in Shikoku. Sie schaute zu, wie die alte Frau mit otema-Stoffbällen jonglierte.
Jetzt hat sie Janssen und auch für mich die 20 Exemplare dieser Vorzugsausgabe gebunden.
12. Mai 2002
Naoki Sakamoto"
Neben Ausstellungen (1) (2) (3) (4) ist Veronika Schäpers heute in zahlreichen Sammlungen und Museen in Europa, Asien und Amerika vertreten.
Sie ist vielfach ausgezeichnet für ihre Werke.