Elisabeth Roos: Gründung des Freundeskreis deutscher Sprache
Wie kam es zur Gründung?
Ich kam 1979 mit meinem Mann nach Tokyo. Durch die vielen kulturellen Aktivitäten meines Mannes, der das Goethe-Institut leitete, lernte ich schon bald viele interessante Japanerinnen kennen, die sehr gut Deutsch sprachen. Viele hatten in Deutschland studiert oder waren gar in Deutschland aufgewachsen, während ihre Väter als japanische Diplomaten oder für japanische Firmen in Deutschland tätig waren. Sie alle hatten den Wunsch, ihre Deutschkenntnisse aufrecht zu erhalten und vor allem, ihre oft starke Bindung an Deutschland zu pflegen. Sie hatten aber in der Regel kaum Gelegenheit, in Japan deutsche Damen kennenzulernen und beklagten mir gegenüber oft das Fehlen entsprechender Möglichkeiten. Auf der anderen Seite hatten auch viele deutsche Frauen, deren Männer für deutsche Firmen in Japan tätig waren, das Problem, daß sie in der japanischen Wirtschafts-Männerwelt sehr oft allein zu Hause saßen und keinen Zugang zu Land und Leuten fanden. Und schließlich kannte ich auch viele deutsch sprechende Frauen aus anderen Ländern, die in derselben Lage waren.
Nun hatte ich schon in den siebziger Jahren in Hongkong durch meine Mitgliedschaft in der deutsch-chinesisch-englischen "Goethe-Society of Hongkong" die Vorteile derartiger interkultureller Vereinigungen kennen gelernt und bekam dadurch auch einen guten Einblick in die Strukturen und das Funktionieren solcher Gesellschaften. Dort war das gegeben, was mir so wichtig erschien: interkultureller Austausch und die Möglichkeit, individuelle Freundschaften zu schließen, die dann auch außerhalb des Kreises sich weiterentwickeln können.
Die Gründung stand also schon 1985 vor ihrer Verwirklichung, als Frau Shigemitsu im September schweren Herzens absagen mußte - sie hatte keine Nachfolgerin finden können. Wir waren beide sehr traurig.
Nun hatte ich aber so vielen Frauen Hoffnung gemacht und zahlreiche Adressen warteten in der Schublade auf Abruf zur Komiteebildung oder zur Mitgliederversammlung und Einschreibung. Man wußte von meinem Vorhaben in offiziellen japanischen und deutschen Kreisen seit nunmehr zwei Jahren. Ich wollte daher mein Versprechen unbedingt einlösen. Da gab es für mich nur noch eine Möglichkeit: ich wandte mich an Frau Uriu, die ich seit Anfang der achtziger Jahre aus der französischen Assoziation "Les amies de langue francaise" kannte. Als wir uns damals kennenlernten und sie hörte, daß ich Deutsche bin, sprach sie mich spontan auf Deutsch an und sagte: "Ach wissen Sie, ich spreche ja viel lieber Deutsch als Französisch". An diesen Satz knüpfte ich meine letzte Hoffnung.Im November 1985 sprach ich dann bei einem Mittagessen mit Frau Uriu und unterbreitete ihr meine Idee. Aber auch sie erbat sich verständlicherweise eine Bedenkzeit. Eigentlich wollte sie zunächst lieber absagen mit der Begründung, die Deutschen hätten doch schon so viele Vereine, und außerdem kenne sie niemanden in der deutschen Kolonie. Ich versprach ihr darauf, alle Kontakte herzustellen. Schließlich standen die Damen, die eine Funktion übernehmen sollten, ja auch schon alle fest.
Ab Januar 1986 wußte ich, daß Frau Uriu bereit war, die Präsidentin des Freundeskreises zu werden - dies zu einem Zeitpunkt, als ich zu meinem größten Bedauern erfuhr, daß ich wegen der Versetzung meines Mannes nach München das geliebte Tokyo neun Monate später verlassen sollte und somit auf keinen Fall selbst hätte Präsidentin werden können. Daher war ich Frau Uriu unendlich dankbar, daß sie diese Herausforderung angenommen hatte.Wir trafen uns dann einige Male und legten den Zeitpunkt für die Komiteegründung auf den 26. April fest. An diesem Tag kamen die Gattin des damaligen deutschen Botschafters, Frau Boss, als Gast sowie 10 japanische und 10 deutsche Damen zu mir nach Hause. Dabei stellte ich Frau Uriu als erste Präsidentin vor und verlas die Satzung in der ersten Fassung. Alle anwesenden Damen waren einverstanden, eine Funktion im Komitee zu übernehmen. Die Aufbauphase konnte also beginnen. Das Gründungskomitee bewährte sich in den folgenden Monaten trotz der ungewohnten Aufgaben ganz hervorragend. Dann wurden die seit 1982 von mir gesammelten Adressen aktiviert, andere Namen kamen hinzu, und so schrieben sich bei der ersten Mitgliederversammlung am 16. September 1986 fast einhundert Damen ein.
Am 19. September - also nur 3 Tage später - verließ ich mit meinem Mann Tokyo und nahm damit auch sehr schweren Herzens Abschied vom Freundeskreis. Ich hatte jedoch die tiefempfundene Gewißheit, etwas hinterlassen zu haben, das Bestand haben wird. Und wenn ich heute von allen Seiten höre, der Freundeskreis sei nicht mehr wegzudenken, dann ist dies für mich das schönste Geschenk__________________________________________________________.
(Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung der Autorin)