Rheinwald, Otto (Gymnasiallehrer)

Otto Rheinwald (3. Oktober 1902 - 23. November 1941)
Gymnasiallehrer / Dozent

Otto Rheinwald wurde nur 39 Jahre alt. Geboren am 3. Oktober 1902 als Sohn des Pfarrers Otto Rheinwald und seiner Frau Marguerite, geborene Wunderlich, in Sindelfingen, wuchs er ab Januar 1906 in Talheim bei Heilbronn auf. Von 1909 bis April 1912 besuchte Otto Rheinwald die Volksschule in Talheim. Im September 1912 folgte der Besuch des Realgymnasiums in Heilbronn, welches er im März 1921 verließ. Im Anschluß daran Studium an der Universität Tübingen, zuerst als stud.rer.nat, kurze Zeit später Wechsel zum stud.phil. In den Monaten April bis Juli 1923 ein kurzer Aufenthalt an der Universität in Berlin; zurück an die Universität Tübingen. Im April 1925 erfolgte in Stuttgart die erste Dienstprüfung für das Höhere Lehramt in den Fächern Deutsch, Geschichte und Englisch; im darauf folgenden Jahr die zweite Dienstprüfung. September 1926 wird Otto Rheinwald zum Dr.phil. promoviert. Titel seiner Dissertation: Die Flurnamen des Lenninger Tals in ihrer sprachlichen und siedlungsgeschichtlichen Bedeutung.

Von April 1926 bis Juli 1929 war Otto Rheinwald in Tuttlingen am Reformrealgymnasium als Studienassessor beschäftigt. 1929 Wechsel nach Shanghai an die Kaiser-Wilhelm-Schule, an der er von September 1929 bis zum Sommer 1934 als Studienassessor tätig war. Im Schuljahr 1932/1933 vertrat er Dr. Weber als Schulleiter der Kaiser-Wilhelm-Schule Im Sommer 1933 auf Urlaub in Deutschland. Von Oktober 1934 bis Juni 1937 Lektor für Deutsch an der Tungchi-Universität in Shanghai. Auch während seiner Tätigkeit als Lektor an der Universität unterrichtete er noch zwei Schuljahre lang mit fünf Wochenstunden an der Kaiser-Wilhelm-Schule.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war Rheinwald in Feuerbach bei Stuttgart am Gymnasium als Studienassessor tätig. Im September 1939 Ernennung zum Studienrat. Oktober 1939 Heirat mit Gertrud Eisenhut. In den Jahren 1940 und 1941 Geburt seiner Söhne Heiner und Albrecht. Im Alter von 39 Jahren verstarb Otto Rheinwald am 23. November 1941 in Stuttgart.

Zum Leben von Dr. Otto Rheinwald wollen wir außerdem den Nachruf aus der Ostasiatischen Rundschau an dieser Stelle zitieren:

Dr. Otto Rheinwald! Am 23. November 1941 hat der Tod den früheren Studienrat an der Kaiser-Wilhelm-Schule in Schanghai, Dr. Otto Rheinwald, mitten aus einem arbeitsreichen Leben herausgerissen. Besonders tragisch ist sein Tod auch deshalb, weil Rheinwald erst vor wenig mehr als zwei Jahren einen eigenen Hausstand gegründet hat und nun seine junge Frau und seine beiden Kinder verlassen mußte. Otto Rheinwald war am 3. Oktober 1902 in Sindelfingen bei Stuttgart geboren. Nach erfolgreichem Schul- und Universitätsbesuch bestand er die württembergische Staatsprüfung für das höhere Lehramt und promovierte bald darauf zum Dr.phil. Im September 1929 kam er aus dem württembergischen Schuldienst an die Kaiser-Wilhelm-Schule in Schanghai. Über fünf Jahre hat er an dieser Anstalt als Lehrer hauptsächlich für Deutsch, Geschichte und Fremdsprachen gewirkt. Dank seines umfassenden Wissens und seiner großen Lehrgeschicklichkeit, aber auch dank seiner allgemeinmenschlichen Eigenschaften hat er es verstanden, sich das Vertrauen und die Anhänglichkeit seiner Schüler, die Wertschätzung seiner Arbeitskameraden, die Anerkennung des Schulvorstandes und die Achtung und den Dank der Eltern zu gewinnen. Groß war daher das Bedauern, als der allseits beliebte, tüchtige Lehrer 1934 aus dem engeren Verband der Anstalt ausschied, um einem ehrenvollen Ruf an die Tungchi-Universität als Lektor für Deutsch zu folgen. Mit seiner ganzen Kraft und mit gleich gutem Erfolg hat Dr. Rheinwald sich hier die Förderung seiner jungen chinesischen Studenten in der deutschen Sprache angelegen sein lassen; seine Arbeit fand daher auch dort volle Würdigung. Daneben trieb er gerade in dieser Zeit noch chinesische und japanische Sprachstudien und war auch wissenschaftlich tätig. Übrigens blieb Dr. Rheinwald auch während seiner Tungchi-Zeit noch mit der Kaiser-Wilhelm-Schule verbunden: mehrfach hat er an ihr mit einigen Stunden ausgeholfen.

Bei seiner ganzen Art war es nur selbstverständlich, daß Dr. Rheinwald sich auch der Deutschen Gemeinde zur Verfügung stellte; durch sein Wirken für die Klubbücherei und durch Vorträge trug er zur Bereicherung des kulturellen Lebens bei. Während seiner Ferien hat Dr. Rheinwald ausgedehnte Reisen in die verschiedensten Gegenden Ostasiens unternommen und sich einen großen Schatz von Wissen über Land und Leute daselbst erworben; ihn auszuwerten, war seine Absicht, als er im Sommer 1937 in die Heimat und den württembergischen Schuldienst zurückkehrte. Die Verwirklichung sollte über die ersten Ansätze nicht hinauskommen: am 23. November 1941 ist er ganz plötzlich verstorben; eine Kiefereiterung hatte eine Blutvergiftung zur Folge, die seinem Leben und seinem Wirken, das noch reiche Früchte zu bringen versprach, ein viel zu frühes Ende setzte.

Wer Dr. Rheinwald kennenlernen durfte, wird ihn wohl stets in Erinnerung behalten als einen warmherzigen, gescheiten, humorvollen, besinnlichen Menschen.“

Wie im Nachruf erwähnt, plante Otto Rheinwald, seine Erinnerungen an China und andere Länder der Region auf Grundlage seiner Reiseberichte zu verfassen. Hierzu findet sich in seinen hinterlassenen Unterlagen ein Konzept. Folgende Reiseberichte hat Otto Rheinwald verfaßt:

1930 Reise in Formosa

1931 Von Shanghai in die Mongolei

1932 Reise nach Japan

1934 Fahrt nach Wusih (Februar)

1934 Nach Hweichow und auf den Tienmuschan (Ostern)

1934 Nach Lanchi (Ostern)

1934 Durch die Provinzen Yunnan und Sichuan, sowie durch Indochina

1935 Auf den Huangschan (Ostern)

1935 Reise nach Honan, Schensi, Schansi, Peking, Peitaho und Korea

1936 Skiurlaub in Japan (Januar)

1936 Nach Chinkiang und Yangchow (April)

1936 Autofahrt nach Wusih und Ihing (Mai)

1936 Nach Guizhou, Yunnan, und Birma

1937 Reise zum Yentangschan (Ostern)

1937 Rückreise über die USA

Als Einleitung zu seinem Konzept schreibt Otto Rheinwald:

Wer heutzutage Kunde über China sucht, stösst auf zwei Arten von Büchern in deutscher Sprache, auf wissenschaftliche Werke von Sinologen, Kunstgeschichtlern oder Naturwissenschaftlern, die auf Grund von eingehenden Studien, oft auch Reisen geschrieben wurden und ein zuverlässiges Bild von dem jeweiligen Forschungsgebiet geben. Aber sie sind meist teuer und selten für den Nichtfachmann gedacht. Wer sich ein Bild vom gesamten Lande in seinem augenblicklichen Zustande machen will, müsste schon diese sämtlichen Spezialwerke durcharbeiten. Zudem sind sie vielfach alt und bei dem raschen Wandel der Dinge in China überholt. Deutsche Werke dieser Art aus den letzten 10 Jahren gibt es überhaupt nicht viele, sie lassen sich an den Fingern abzählen.

An Werken der zweiten Gattung ist wahrlich kein Mangel: Es sind alle die Schriften, die das Leben des Reiches der Mitte zur Grundlage von Sensationen machen, sei es in abenteuerlichen Romanen, sei es in verblüffenden Reportagen oder Schilderungen von halsbrecherischen Fahrten. Dem Leser, der China nur aus Zeitungen kennt, bilden sie ein wundervolles Material, sein Bild abzurunden, und es tut einem beinahe leid, wenn man das Poetisch-Romantische, das sie um China gesponnen haben, zerreißen soll, um das wirkliche China nüchtern und klar zu zeichnen.

Es muss einmal klar gesagt werden: Alles, was noch vor 20 Jahren als typisch chinesisch galt, besteht heute nicht mehr oder nur noch in kümmerlichen Resten. Angefangen beim Zopf und den verkrüppelten Füssen und weiter bis zu den Mandarinen und den Prüfungen des alten Stils, dem ganzen Prunk des Hofes und der Beamten.

Selbst in der Wirtschaft hat sich Grundlegendes gewandelt. Reis wird eingeführt, die Ausfuhr von Tee ist auf ein unbedeutenden Rest gesunken, die Seide ist von der Kunstseide in Europa fast verdrängt. Statt dessen werden Soyabohnen, Schweineborsten, Eier und andere weit prosaischere Erzeugnisse ausgeführt.

Politisch wie sozial ist das Kaisertum völlig ausgelöscht, aber auch die Epoche der Generalskriege scheint sich rasch ihrem Ende zuzuneigen, ein einheitlicher moderner Staat ist im Werden. Flugzeug und Auto haben das Verkehrswesen umgestürzt, Bomben und Maschinengewehre fegen die Banditenherrlichkeit weg. In der geistigen Welt scheint das aufgeklärte radikale Studentum (wahrscheinlich: Studententum) mit den alten sittlichen Kräften des Volkes allmählich zu einer neuen Weltanschauung zu verschmelzen.

China, das klassische Land des Beharrens, befindet sich in einer Umwandlung, so rasch und gründlich, wie sie der Westen nicht gekannt hat. Was noch vor 5 Jahren wahr war, ist heute überholt. Das rechtfertigt ein Buch über das gegenwärtige China

Es wendet sich in erster Linie an die Chinadeutschen hier und in der Heimat, an sie, die dieses Land kennen und lieben gelernt haben, denen oft nur die Zeit fehlt, um durch Studien oder Reisen ihre Erkenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Es wendet sich weiter an alle, die wissen möchten, wie es in diesem gewaltigen Reiche, das ein Viertel aller Menschen der Welt beherbergt, aussieht. In diesem Reiche, das allein in der Welt noch eine Kultur besitzt, die von der europäischen nur wenig beeinflusst ihr eigenes Leben führt. Mag von der westlichen Zivilisation noch so viel übernommen werden, der Chinese wird nie seine Eigenart aufgeben, ja er scheint sich eben jetzt bewusst zu ihr zurück zu finden.

Die folgenden Reiseberichte gründen sich auf mehr als fünfjährigen Aufenthalt im Lande. Sie bringen nichts, was der Verfasser nicht selbst gesehen hat. Mit ein Zweck ist, die Chinadeutschen auf die Möglichkeiten in ihrem Gastlande aufmerksam zu machen.“

Und abschließend heißt es:

Wer zehn Wochen im Lande war, schreibt ein Buch, wer zehn Monate sich aufhielt, beginnt nachzudenken, sich zu fragen, und wer zehn Jahre drüben lebt, schweigt. Da ich nur acht Jahre aushielt, gehöre ich noch nicht ganz zur dritten Gruppe.“

Wie Rheinwald oben bereits andeutet und wie es auch immer wieder in seiner Reisebeschreibung durchschimmert, durchreiste er das Land in einer politisch sehr instabilen und unruhigen Zeit. Das Land wurde durch eine ganze Reihe von Warlords beherrscht, die in den unterschiedlichsten Konstellationen sich gegenseitig bekämpften oder koalierten. Die Gruppe der Warlords teilte sich in die nördliche Fraktion und die südliche Fraktion auf, die wiederum sich in eine ganze Reihe von Cliquen verzweigten. Die Zentralregierung hatte nur wenig Macht über das Land. Hinzu kam die offene Aggression Japans, die kurz nach Rheinwalds Rückkehr von seiner Reise in die Mongolei nach Shanghai in die Besetzung der Mandschurei gipfelte. Die japanische Aggression setzte sich in den folgenden Jahren 1933 bis 1935 in Nordchina fort. Hinzu kam im Januar 1932 der japanische Angriff auf Shanghai, dem Wohn- und Arbeitsort Rheinwalds. Es wäre interessant zu erfahren, wie Rheinwald diese Zeit vor Ort erlebt hat; leider hinterließ er keine Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Lehrtätigkeit an der Kaiser-Wilhelm-Schule, bzw. an der Tungchi-Universität.

Wie sahen die Jahre, die Rheinwald in China verbrachte, in Deutschland aus? Er verließ seine Heimat in unruhiger Zeit. 1930 herrschte in fast allen Ländern Europas eine Wirtschaftskrise. Bei den Reichstagswahlen 1932 wurde die NSDAP die stärkste Partei. Und im Januar 1933 erfolgte die Machtübernahme durch Adolf Hitler. Nur am Rande geht Otto Rheinwald in seinen Reiseberichten auf die Entwicklung in Deutschland ein.

Mit diesem Heft wird der vollständige Reisebericht in die Mongolei wiedergegeben. In dem oben erwähnten Konzept werden zum einen seine Reiseberichte nur gekürzt aufgenommen, zum anderen eine ganze Reihe von Reiseberichte ausgelassen, so zum Beispiel seine Sommerreise 1932 nach Japan, seine Sommerreise 1935 nach Korea und seine Sommerreise 1936, die ihn über Yunnan und Guizhou nach Burma führte. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, nicht seine Reiseberichte entsprechend seines Konzeptes zu veröffentlichen, sondern diese Reiseberichte vollständig und als Einzelpublikation dem interessierten Publikum zur Verfügung zu stellen. Da Rheinwald ein begeisterter Photograph war, hinterließ er auch unzählige Photos. Leider standen mir diese Photos nicht zur Verfügung, so daß eine Aufnahme in seine Reiseberichte nicht erfolgen konnte.

 

Quelle:
Rainer Falkenberg: Otto Rheinwald. Reise in die Mongolei (Sommer 1931), in: Studien, Quellen und Perspektiven zum Leben der Deutschen in Ostasien (Bd. 6), München 2023

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