Frühe Kontakte nach China bis Ende des 17. Jahrhunderts
Die zu Beginn der Ming-Dynastie expansive Auslands- und Handelspolitik, insbesondere die Expeditionen des Zhèng Hé, die bis nach Mombasa und zur militärischen Intervention im singhalesischen Königreich von Kotte 1410 führten, wurde aus Kostengründen nach 1433 eingestellt.
Die zunehmend restriktive Politik gegenüber dem Ausland erlaubte es den Portugiesen, die unter Jorge Álvares 1513 nahe Canton erstmals gelandet waren, erst 1557 eine dauerhafte Handelsstation in Macao zu errichten.
Macau weckte schon bald aufgrund ihrer exklusiven Stellung im lukrativen Japanhandel die Begehrlichkeiten der VOC. Nach mißlungenen Angriffen in den Jahren 1601, 1603 und 1607 versuchte am 23./24.6.1622 eine VOC-Flotte mit 13 Schiffen und 1300 Mann unter Admiral Cornelis Reijersen Macao einzunehmen. Die Invasion scheiterte unter hohen Verlusten.
Danach zog sich die VOC auf die Pescadores Inseln zurück, von wo aus sie mit Kaperfahrten die Chinesen zur Öffnung ihrer Häfen zu zwingen versuchte. Von den Pescadores wurde sie von den Ming, die die Holländer als "rothaarige Banditen" bezeichneten (Grimm 1979:7), 1624 vertrieben.
Die VOC wich nach Formosa aus, wo sie die Festungen Zeelandia und Noord-Holland bauten. Der erneute Versuch des vierten Gouverneur van Formosa, Hans Putmans, den Freihandel mit China zu erzwingen, scheiterte nach der gegen die Ming-Flotte verlorenen Seeschlacht in der Liàoluó Bucht am 22.10.1633.
Danach versuchten von 1655 bis 1685 sechs niederländische Delegationen an dem Hof des Mandschu-Kaisers in Peking, in Hoffnung auf einen geänderte Haltung Pekings zum Freihandel nach dem Dynastiewechsel, eine Handelserlaubnis zu erhalten, was aber ebenfalls scheiterte, obwohl sie zu jedem Ritual und jedem Zugeständnis bereit waren. Von der China-Expedition 1655-1657 brachte der am 22.7.1618 in der Grafschaft Bentheim zu Uelzen geborene und im October 1672 im Norden Madagaskars verschollene Johann Neuhof (ab Eintritt in niederländische Dienste schreibt er sich Nijhof, ndl. Drucke verwenden Nieuhof) ein mit wunderbaren Federzeichnungen versehenes und in klarer Handschrift geschriebenes Reisetagebuch zurück (vgl. Nieuhof 1659), das eine weitaus authentischere Informationsquelle darstellt als das von seinem Bruder Heinrich 1665 besorgte gedruckte Werk, in dem sich Einschübe anderer zeitgenössischer Vorlagen zeigen, wobei dies auch der Tatsache geschuldet ist, daß die jeweiligen Verleger Erwartungen der zeitgenössischen Leser=Käufer bedienen mußten, was den "Einbau" bestimmter Topoi in die illustrierten Reiseberichte, aber auch das Wiederverwenden von Teilen aus schon erschienene Werken erforderte (vgl. Ratzel 1886:509; Ulrichs 2003:21, 74, 128f).
Mit der Landung von Ming-Truppen unter Koxinga (Zhèng Chénggōng) verlor der VOC 1662 Fort Zeelandia. Die Station Noord-Holland wurde 1668 endgültig aufgegeben. Mit den Holländern verließen auch die von ihnen angestellten deutschen Soldaten und Knechte die Insel (vgl. Schmalkalden 1983:142).
Was Händler und Korsaren nicht vermochten, erreichten Ordensleute der Societas Jesu, denn 1619 betraten erstmals seit dem 13. Jahrhundert Deutsche ostasiatisches Festland. Der Schwabe Johann Schreck (Johannes Terrentius) und Ritter Johann Adam Schall v. Bell aus Lüftelberg (Erzbistum Köln) reisten als Mitglieder einer Jesuitenmission 1619 nach Macao, wo sie in die Kämpfe zwischen Portugiesen und Holländer verwickelt wurden. Als Katholiken unterstützten sie die Verteidiger gegen die protestantischen Angreifer im Jahr 1622.
1623 wurde ihnen schließlich die Weiterreise nach Peking erlaubt, wo sie als Ärzte, Mathematiker, Astronomen und Geschützgießer in kaiserliche Dienste traten. Die am Hofe einflußreiche Jesuitenmission überstand durch Geschick und Können den Dynastiewechsel 1644. Schall v. Bell (links als alter Mann abgebildet) errichtete 1650 die erste Barockkirche Pekings (vgl. Väth 1933:168). In den zehn Jahren nach 1651 bis zum Tode Kaiser Shùnzhìs (順治) wirkte Schall v. Bell als Lehrer, Ratgeber und Freund des Kaisers (ibid.,S.184). Schall verstarb 1666. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts, knapp 40 Jahre später, sollten erneut Deutsche in China leben und arbeiten. [ar]
Lit. Grimm, T. (1979): Kulturelle und historische Grundlagen der Beziehung Chinas zum Ausland, Heft 1, hg. v. Ges. f. Auslandskunde, München 1979; Nieuhof, J. (1659): Journaal van zommige voorvallen, in de voyagie van de E. Heeren Pieter de Goyer en Jacob Keyser, ambassadeurs, aande grootmachtige keizer van Chyna en Tartaryen, in de jaaren 1655, 56 & 1657, handschriftliches Manuskript mit Illustrationen des Autors, 1659, online bei der Bibliothèque nationale de France, département Société de Géographie, Signatur Nr. SG MS8-17[1271]: www.gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b525015659/f7.image, abgerufen am 1.9.2016; Ratzel, F. (1886): Neuhof, Johann, in: Allgemeine Deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23, Leipzig:Duncker & Humblot 1886, S. 507–509; Schmalkalden, C. (1983): Die wundersamen reisen des Caspar Schmalkalden nach West-und Ostindien 1642-1652, nach einer bisher unveröffentlichten Handschrift bearbeitet und herausgegeben von W. Joost, Leipzig:Acta Humaniorum 1983; Ulrichs, F. (2003): Johan Nieuhofs Blick auf China (1655-1657). Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs, Sinologica Coloniensia 21, Wiesbaden:Harrassowitz 2003; Väth, A. (1933): Johann Adam Schall von Bell, SJ Missionar in China, kaiserlicher Astronom und Ratgeber am Hofe von Peking 1592–1666. Ein Lebens- und Zeitbild, Veröffentlichung des Rheinischen Museums Bd.2, Köln:Bachem 1933; Bildquellen: Die Beschießung von Macau 1622, Kupferstich von