Japanischer Nihonga-Meister und deutscher 'Wanderbursche': Traditionelle Kunst, stets offen für Impulse heraus aus dem Festgefahrenen

"Ich sehe grün bewaldete Inseln, Buchten und Berge, eine romantische japanische Landschaft. Ich sehe einen Maler. Sie werden ein Landschaftsmaler werden." ("Japan und der Westen", S.78). So hatte es die deutsche Gastgeberin des jungen japanischen Studenten Kaii Higashiyama aus dem in kaltes Wasser gegossenen Blei am Sylvesterabend herausgelesen.

Und sie sollte Recht behalten: Der junge Japaner wurde einer der in seiner Heimat geachtesten und darüberhinaus ein weltweit hoch verehrter Künstler japanisch traditioneller Malerei (Nihonga). Seine Kunstwerke - überwiegend Natur- und Landschaftsmalerei - schmücken den japanischen Kaiserpalast und das Kronprinzen-Palais und sie zieren japanische Kultstätten wie den berühmten Tempel Tôshôdaiji 唐招提 in Nara  (Bild), Museen und Gebäude der ganzen Welt. Unter anderen befindet sich z.B. Higashiyamas Gemälde "Tal im Nebel" (1989) als Geschenk des Künstlers im Besitz des Asiatischen Museums, Berlin.

Als erster deutscher Austauschstudent hatte er zwei Jahre 1933/35 in Berlin abendländische Kunstgeschichte, aber u.a. angeblich auch bei dem Kunsthistoriker für ostasiatische Kunst, Otto Kümmel, studiert. Die damit begründete deutsch-japanische Tradition des Studenten- und auch Künstleraustausches hat sich bis heute, so z.B. durch das Künstlerprogramm des DAAD fortgesetzt.

Auf Grund seiner lebenslangen Verbundenheit mit Deutschland, besonders mit der deutschen Kunst, wurde er Mitglied des Ordens Pour Le Mérit für Wissenschaft und Künste. Higashiyama ist damit einer der ganz wenigen japanischen Mitglieder, die in diesen erlauchten Kreis aufgenommen wurden. Liest man allerdings die Gedenkworte, die ihm posthum durch den Orden zuteil wurden, kann man nur mit Erstaunen feststellen, wie groß die kulturelle Kluft zwischen Japan und Deutschland noch ist. Nur das Entdecken des deutschen Haiku-Dichters Durs Grünbein unter den Geehrten lässt Hoffnung in diesem Zusammenhang aufkommen.

Im Alltag zeigte sich seine Deutschland-Liebe unter anderem daran, dass er in Japan den Bau einer "Romantischen Strasse"  initiierte. Mit seiner Frau bereiste der berühmte Maler wiederholt das Land seiner Studentenzeit, Deutschland, und wurde hier durch zahlreiche Aussstellungen geehrt.

Was hatte den Blick dieses Meisters traditioneller Malerei auf Deutschland, oder besser, wie er selbst in einem Vortrag in der OAG 1984 (Monatsberichte der Japanisch-Deutschen Gesellschaft  Tôkyô, Nr. 359,/1984) sagte, auf Europa, gelenkt? Schon das geograhisch-kulturelle Umfeld seiner Jugendzeit, Kôbe, hatte ihn dazu prädestiniert, sich später als "Bürger zweier Welten...Europa und Japan..." zu bezeichnen (S.3), zu einem Bürger, der von einer doppelten Geisteshaltung beflügelt war, " dem "Verlangen nach dem rein Japanischen einerseits" und der "Sehnsucht nach dem Europäischen andererseits." (S.5) :

"Die große Hafenstadt aber war seit alters allem Fernen und Fremden geöffnet. Mit den Schiffen kam zugleich die ausländische Kultur. Seit ich lesen konnte, interessierte ich mich für westliche Literatur, Kunst und Musik. Ich spürte bald, dass die westliche Kultur, die aus komplizierten Mischungen und Verbindungen der europäischen Völker entstanden ist, mehr emotionale und intellektuelle Elemente enthält als die japanische. An ihrem tiefen Sinn hoffte ich meinen Geist zu bilden. Darum ging ich nach Deutschland. Ich wollte das Fremde aus eigener Anschauung kennenlernen und die japanischen Traditionen aus der Distanz neu betrachten." (Japan und der Westen, Higashiyama, S. 79)

Mit einer gewissen Bitterkeit konstatierte der "Bürger zweier Welten", dass das 'Menschliche' in der heutigen Zivilisation immer mehr zurücktrete. Für Deutsche mag es tröstlich klingen, dass der sensible japanische Künstler in seinen Begegnungen mit Deutschland immer wieder hoffnungsvolle Anssätze zum Widerstand gegen jene bedrückende Tendenz zu erkennen glaubte. Aber dennoch ist es auf den ersten Blick verwunderlich, dass gerade in seinen eigenen Kunstwerken nahezu nie Menschen zu entdecken sind.

Dessen war sich Kaii Higashiyama durchaus bewusst, erklärte es jedoch häufig als ein Missverständniss. Denn in seinen Bildern begegneten sich stets zwei Menschen: der Maler und der Betrachter seiner Werke.

Dazu kommt, dass japanische Landschaftsmalerei niemals wie überwiegend im Westen auf möglichst realistische Wiedergabe der Natur zielte. Sie ist vielmehr eher Ausdruck der seelischen Befindlichkeit und Geisteshaltung des Künstlers.

Von dieser japanischen Konzeption der Landschaftsmalerei war zum Beispiel der deutsche Jahrhundertkünstler Horst Janssen so beeindruckt, dass sie in seinen Landschaftsbildern Eingang fand. Umgekehrt sah der Japaner Kaii Higashiyama aber auch in den Naturdarstellungen deutscher Meister wie Albrecht Dürer, Matthias Grünwald, Casper David Friedrich und Emil Nolde in Deutschland künstlerische Geistesverwandtschaft.

Kaii Higashiyama war kein Internationalist, geschweige denn von einer multikulturellen Geisteshaltung geprägt, die alle globalen Werte relativiert und vorgeblich darin die eigene kulturelle Identität einbringt. Er ist Japaner, der allem Fremden und damit Neuem offen gegenübersteht, von hier seine eigene japanische Identität immer wieder hinterfragt, an diesem Maßstab prüft und Anregungen von Aussen konstruktiv aufnimmt.

Quellen und Weiterführende Links:

Hielscher, Gebhard: "Ich male die unbefleckte Natur. Besuch im Atelier des japanischen Künstlers Kaii Higashiyama"

Higashiyama, Kaii: "Das Schöne in der japanischen Kunst." In "Japan und der Westen", S78-80.

Higashiyama, Kaii: "Als Bürger zweier Welten" 「 二つの世界の市民として」 In: Monatsberichte der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tôkyô, Nr. 359,/1984, S.3-12

Higashiyama Kaii Gemälde: You Tube Videos (1)   (2)

Higashiyama Kaii: Japanische Dokumentation: Videos (1)  (2)

Higashiyama Kaii Memorial Hall

Higashiyama Kaii Memorial Hall Ausstellung zur Deutschland und Österreich Reise 1969 von Kaii higashiyama und seiner Frau, ezember 2013 bis februar 2014

Higashiyama Kaii Gallery, Nagano Prefectural Shinano Art Museum

Kagawa Prefectural Higashiyama Kaii Setouchi Art Museum

Kuronuma Masako: "Higashiyama Kaii". Aus: Texte japanischer Deutschschüler

Raunig, Walter, Schrenk, Klaus; Lüderwaldt,Andreas (Hrsg.) "Kaii Higashiyama. Ein Meister japanischer Landschaftsmalerei, Innsbruck. Frankfurt. Pinguin-Verlag; Umschau-Verlag. 1983


 

Informationen & Quellen 参考文献

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