Vier Generationen japanisch-deutsche Tradion in Wirtschaft, Kunst und Philanthropie

Zuerst trafen wir hierauf beim Kaffeetrinken mit der Japanerin Miho Natori im Foreign Correspondents' Club in Tôkyô. Zum Mittagessen hatte sie keine Zeit.  Ein Treffen mit Geschäftspartnern hielt sie davon ab. Sie ist eine umtriebige Unternehmerin, voll Energie und kreativen Ideen.

In Kamakura am Pazifischen Ozean betreibt sie die Modeboutique "ban rom sai", die nach der von ihrer Mutter Miwa Natori gegründeten Kinderhilfsorganisation für HIV infizierte thailändische Kinder benannt ist.

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Family legacy of wanderlust
 

Nicht weit davon am Strand des Dorfes Hayama startete sie mit Anderen ein Strand Café, das "Blue Moon", direkt neben dem Sommerpalast des Kaisers. Die japanische Kronprinzessin hatte ihr und den jungen Leuten im Restaurant einmal über den Zaun hinweg zugelächelt, freut sie sich.

Bildhübsch und mit überbordender Erzählweise sitzt die Japanerin uns gegenüber. Sie spricht Japanisch und Deutsch, ohne diese Sprachen zu vermischen, perfekt in abwechselnder Reihenfolge. Beides sind ihre Muttersprachen. So erstaunt es auch nicht, dass sie in ihrer obigen Modeboutique eine Mitschülerin aus der Deutschen Schule Tôkyô Yokohama beschäftigt.

Ihre in Japan ungewöhnliche Kosmopolität speist sich aus ihrer Familientradition:  Seit vier Generationen gründet diese auf einem engen Verhältnis Japans zu Deutschland.

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Begonnen hatte es mit dem Urgroßvater von Miho, Natori Wasaku 名取和作 (1872-1959). Als einer der ersten Absolventen der privaten Eliteuniversität Japans, der Keio Universität, hatte er 1899 ein zweijähriges Stipendium für ein Studium an der Columbia Universität in New York erhalten. Auf dem Rückweg nach Japan machte er 1901 auch in Berlin Station - die erste Verbindung seiner Familie nach Deutschland, die bis in unsere Zeit auf vielen Ebenen intensiv bewahrt wurde.

Die nachfolgende Generationen der Familie Natori wechselten permanent zwischen Deutschland und ihre Heimat Japan. Das Resultat mündete nicht immer in seelischer Befriedung der eigenen Lebensentwürfe; vielmehr forderte es zu ständigen Konflikten im jeweiligen persönlichen Lebensumfeld heraus. Bemerkenswert scheint dabei, dass sich ein enges privates Beziehungsgeflecht auf familiärer Ebene durch interkulturelle Ehen nicht bildete. Die Familie Natori blieb ganz überwiegend japanisch.

Nach seiner Rückkehr nach Japan wandte sich Wasaku Natori einer wenig erfolgreichen Wissenschaftskarriere an der Keio Universität zu, um dann mehrere Berufsstationen in der japanischen Wirtschaft zu durchlaufen. Im Jahre 1920 gründete er das Vorgängerunternehmen der heutigen Fuji Denki Group富士電気グループ 」 und wurde deren erster Präsident. Dieses Unternehmen war ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Siemens A.G.   シーメンス 」. Der erste Namensteil dieser Firma  'Fu' 「フ」 wurde aus der japanischen Anfangssyllbe des Namens des japanischen Gründungsunternehmen, Furukawa Denko , und der zweite aus dem ersten Buchstaben des japanischen Namens von Siemen 'ji' 「 ジ] geschaffen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wasaku Natori in das japanische Oberhaus gewählt. Mit dem japanischen Premierminister Yoshida Shigeru 吉田 (1878 - 1967) verband ihn eine tiefe Freundschaft.

Auch die Frau von Wasaku Natori, Fukuko Natori, war familiär eng mit dem Großunternehmertum der Meiji-Zeit verbunden. Sie entstammte einer Mitsui Zaibatsu Familie. Ihr Vater war einer der Begründer der modernen japanischen Wirtschaft, der Großunternehmer Eiji Asabuki 朝吹 英二(1849-1918). Er war großzügiger Förderer der Keio Universität, an der Wasaku Natori studiert hatte.

Fukuko Natori, geborene Asabuki, war auch mit dem japanischen Aufklärer Yukichi Fukuzawa verwandt.

Somit führt Miho Natoris Familienlinie über ihre obigen Urgroßeltern bis tief in die Gründerzeit des japanischen modernen Staates zurück. Sie trägt die mutig revolutionären Veränderungen in sich, die ihr Heimatland Japan von einem Feudalstaat in wenigen Jahrzehnten zu einer der großen Mächte in der internationalen Staatenwelt haben aufsteigen lassen. Verbunden sind  auch die damit unvermeidbaren  Verwerfungen in der Gesellschaftsstruktur des Landes.

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Die Urgroßeltern von Miho, das Ehepaar Wasaku und Fukuko Natori, hatten  vier Söhne.

Als dritter Sohn wurde Yônosuke Natori  名取洋之助 (1910-1962) geboren. Er ist der Großvater von Miho.

Nachdem Yônosuke Natori an derselben Keio Universität, die  die erfolgreiche Wirtschaftskarriere seines Vaters begründet hatte, sein Studium wegen mangelnder Leistungen hatte abbrechen müssen, ging er zur weiteren Ausbildung nach Deutschland. Dort studierte er bei dem bekannten Designer und Graphiker Sigmund von Weech (188? - 1982) an der Kunstgewerbe - Hochschule in München. Dieser brachte Yônosuke  mit den Ideen des Bauhaus in Berührung.

Vor diesem Hintergrund wandte er sich beruflich dem Fotojournalismus zu.

1931 wurde er in Deutschland beim Ullstein Verlag als Fotograf eingestellt. In dieser Funktion wurde er als Sonderkorrespondent nach Japan entsandt. Mit der faschistischen Machtübernahme durch Adolf Hitler in Deutschland 1933 verlor er jedoch diesen Posten wieder.

In der Folge gründete Yônosuke Natori zusammen mit dem Fotografen Kimura Ihei 木村 伊兵衛 (1901-1974), dem Filmschaffenden Okada Sozo 岡田桑三 (1903-1983) - auch dieser hatte in Deutschland studiert - und anderen Intellektuellen und Designern die Kunstgruppe "Nihon Kôbô     日本工房". Diese sollte über zehn Jahre hinweg in Japan bei der Einführung der modernen Fotografie, vor allem im Bereich der Reportagen, aber bis hin zur Verwendung von Fotos im Design, eine wichtige Pionierfunktion erfüllen. Yônosuke Natori trug durch Einführung von Methoden, die er in Deutschland erlernt hatte, hierzu wesentlich bei.

Yônosuke Natori hatte darüber hinaus zahlreiche Zeitschriften in Japan gegründet. Eine dieser Zeitschriften war die im Sinne von Okakura Tenshin gegründete Zeitschrift "NIPPON" 日本. Sie erhob den Anspruch, japanisches Schaufenster hin zur Aussenwelt zu sein. In der japanischen Geschichte der Fotografie hat sie ihren festen Platz erhalten.

So hat der Großvater von Miho, der Fotograf Yônosuke Natori, es geschafft, aus dem übermächtigen Schatten  seines berühmten Vaters, des Großunternehmers Wasaku Natori, auf einem eigen gewählten Gebiet heraus zu treten. Geholfen hat ihm dabei der durch den Vater geöffnete Weg nach Deutschland. Zudem hätte er ohne den finanziellen Hintergrund der Eltern seine für die japanische Fotografie so wertvollen Beiträge durch Gründung und Unterstützung zahlreicher Zeitschriften nicht leisten können. Künstlerisch waren diese von großem Wert, geschäftlich jedoch Misserfolge.

Yônosuke Natori hatte in erster Ehe die neun Jahre ältere Designerin Erna Mecklenburg (1901-1979) in München geheiratet. Sie hatte ihn in die professionelle Szene der deutschen Fotografie eingeführt. Später war sie ihrem Ehemann nach Japan gefolgt und hatte ihn in seinen obigen Projekten unterstützt.

In Japan verstrickte sich Yônosuke Natori dann jedoch in eine Liaison mit einer japanischen Geliebten, Tama Miyajima 王久 (1919-  ). Sie war die älteste Tochter des anarchistischen Schriftstellers Sukeo Miyajima 宮嶋資夫 (1886-1951). Dessen Werke werden in Japan der proletarischen Literatur プロレタリア文学 zugerechnet. Als Yônosuke mit Tama ein Kind erwartete, ließ sich Erna Mecklenburg von ihm scheiden. Dieser heiratete anschließend Tama.

Erna Mecklenburg blieb nach der Scheidung in Japan und gründete eine deutsche Buchhandlung.

Das Ehepaar Yônosuke und Tama Natori lebte zunächst in China. Da beide als Japaner gegen Kriegsende in ein chinesisches Internierungslager gesteckt wurden, wurde das Kind, die Tochter Miwa Natori 名取 美和, am 26.01.1946 dort geboren. Miwa ist die Mutter von Miho Natori.

Deren Bruder Shinkichi Natori 名取真吉 wurde 1947 geboren.

Nach ihrer Rückkehr nach Tokyo lebte die dreiköpfige Familie zunächst einige Jahre in Tokyo und verzog dann in die alte Hafenstadt Kozu, die heute in die Stadt Odawara eingemeindet ist. Dort hatte der oben erwähnte Urgroßvater von Miho, Wasaku Natori, ein Sommerhaus errichtet. Nach der Trennung von seiner Frau Fukuko lebte er dort zurückgezogen.

Wegen einer weiteren Liebesaffäre von Yônosuke mit einer 17 Jahre jüngeren Japanerin zerfiel auch die Ehe mit seiner zweiten Frau Tama. Daher wuchsen die Kinder Miwa und Shinkichi ohne den Vater bei der Mutter Tama auf.

Für die Familie Natori blieb in diesen turbulenten Verhältnissen der alte Patriarch Wasaku Natori die große Bezugsperson. Bei ihm versammelten sich zu Neujahr alle Familienmitglieder, um an einer deutschen Tafel gemeinsam zu essen. Nicht nur waren die Tischdekoration, die Bestecke und das Geschirr deutsch, auch das Essen wurde von dem deutschen Restaurant Ketel geliefert, zubereitet von dem gleichnamigen Chefkoch Helmut Ketel.

Erst nachdem die Geliebte des Vaters Yônosuke bei einem Schiffsunglück umgekommen war, kehrte der Vater wieder in seine Familie zurück und hob die Scheidung mit seiner zweiten Frau Tama auf.

Besonders widmete er sich nun in der Familie in der Folge seiner Tochter Miwa.

Von exemplarischer Bedeutung für den väterlichen Einfluß mag erwähnt sein, dass Vater Yônosuke seiner Tochter ihre Kusine Tomiko Asabuki 朝吹 登水子 (1917-2005) vorstellte. Diese lebte seit Jahren in Paris und war eine bekannte Schriftstellerin und Übersetzerin französischer Literatur ins Japanische.

Unruhe in den familiären und beruflichen Gegebenheiten waren so feste Kontanten in der Familie Natori und pflanzten sich in das Leben besonders der Tochter Miwa fort. Ihren Bruder Shinkichi zog es zwar dann auch nach Deutschland, wo er eine Deutsche heiratete. Aber sein Leben verlief offensichtlich weniger abenteuerlich als das, was vor seiner Schwester Miwa lag. Beredende Auskunft erteilt hierzu ihre im Japanischen erschienene Biographie von Mieko Saho.

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Zunächst besuchte Miwa Natori die gleiche Kunstgewerbeschule wie ihr Vater in München. Dort studierte sie gewerbliches Design über drei Jahre.

1965 kehrte sie nach Japan zurück und fand Arbeit in einer Werbeagentur. Deutscher Lebensstil und Mentalität hatten die junge Frau aber so geprägt, dass sie es schwer fand, sich in der von strengen sozialen Konventionen geregelten japanischen Gesellschaft und Berufswelt zurecht zu finden. Ihren individuellen Freiheitsdrang und Raum zur Entfaltung ihrer Kreativität empfand sie stark eingeengt, so dass sie 1966 bereits wieder nach München zurückkehrte.

Von Deutschland zog es sie bald in das verlockende und unruhige Paris. Dort tauchte sie ganz in die Hippie Kultur  ヒッピー jener Zeit ein. 1967 kam ihre Mutter Tama nach München, um dort Deutsch zu lernen, wie es heisst. Oder wollte sie nach ihrer Tochter Miwa sehen, um deren französisches Lebensumfeld sie sicher in Sorge war? Jedenfalls zog Miwa zurück nach München zu ihrer Mutter. Dort erwartete sie eine neue, große Lebensherausforderung. Denn als sie dort einen japanischen Kommilitonen ihrer Mutter kennengelernt hatte, verliebte sie sich in ihn und wurde 1968 schwanger.

In diesem Zustand kehrte sie mit ihrem Geliebten nach Japan zurück.

Jener entstammte der großbürgerlichen Unternehmerfamilie Fujiya フジ矢株式会社, die mit der Herstellung von westlichen Süsswaren in Japan zu Reputation, Bekanntheit und Vermögen gekommen war. Die Integration in dieses Umfeld war Miwa vom ersten Tag an unmöglich. Umgekehrt dürfte ihre Akzeptanz durch die Familie auch nicht überschwänglich herzlich gewesen sein.

So heiratete das junge Paar zwar kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes, aber Miwa liess sich sozusagen in einem Atemzug gleich wieder von ihrem frisch vermählten Ehemann scheiden. Das Sorgerecht für das Kind verblieb bei der Mutter. Dafür verzichtete sie auf Unterhaltsansprüche gegen den Vater. Dennoch sollte dieser sehr viel später für die Ausbildung seiner Tochter großzügig aufkommen.

Dieses Kind ist Miho Natori.

Nach der Geburt von Miho kehrte die Mutter Miwa mit ihrem Baby 1971 abermals nach München zurück. Zum Lebensunterhalt für die kleine Familie langten ihre finanziellen Mittel  jedoch nicht. So mußte sie trotz ihres Babys verschiedene Arbeiten annehmen. In dieser Situation kam ihre Mutter Tama zur Pflege des Kleinkindes ebenfalls wieder nach München. Tama soll eine rechtschaffene Dame mit guten hausfraulichen Qualitäten gewesen sein. Ihren Kindern und Enkelkindern bot sie bis zu ihrem Tode einen Zufluchtsort in deren nicht selten chaotischen Lebensumständen an.

Und diese Situationen reihten sich im Leben von Miwa aneinander. Sei es, dass auch ihre zweite Eheschließung mit einem japanischen Kameramann schnell wieder in einem Desaster endete. Sei es, dass sie zwischen ihren  beruflichen Feldern teils mit Erfolg, teils ohne Erfolg unablässig wechselte. Für die meist auf sich allein gestellte Tochter Miho brachte dies keine leichte Jugendzeit mit sich. Und doch stehen sich beide bis heute nahe.

Im wiederholten Wechsel  zwischen Deutschland und Japan entschloss sich Miwa schließlich Mitte der 90ger Jahre alle ihre lokalen Bezüge zu Japan zu lösen und endgültig nach Europa zu ziehen.

Es folgte ein unstetes Nomadenleben. Zwischen temporären Eckpfeilern persönlicher Bindungen und sich dauernd ändernder Wohnorte wanderte sie hin und her. Diese waren einerseits ihre in Deutschland lebende Tochter Miho und ihre in Paris lebenden japanischen Freundinnen und andererseits kurzfristige Aufenthaltsorte in München, Würzburg, in Tirol in Österreich, auf der griechischen Insel Paros im Ägäischen Meer und andere. Psychische Isolation und Vereinsamung waren die Folge. Nach drei Jahren solcher Irrungen und Wirrungen kehrte Miwa mit ihrer Tochter Miho dann schließlich doch wieder nach Japan zurück.

Die Ermunterung ihrer deutschen Freundin, der Ärztin Dr. Annerose 'Amu' Akaike, nach Chen Mai in Thailand zu kommen, brachte dann eine dramatische Lebenswende für Miwa Natori. Dieser Besuch brachte sie in unmittelbaren Kontakt mit AIDS infizierten thailändischen Kindern, die unter erbärmlichen Lebensbedingungen auf dem sicheren Weg zum Tod dahin siechten. Ihre Eltern waren zumeist schon vor ihnen an AIDS gestorben, und sie waren aus der lokalen Gesellschaft ausgegrenzt.

Diese Erfahrung gab Miwa bei ihrer bisher so unbefriedigenden Suche nach dem Schall der "Trommel in der Ferne" 遠い太鼓 , wie Haruki Murakamis Essay tituliert ist, eine ganz neue Sinngebung für ihr Leben. Sie wandte sich von nun an in unermüdlicher  Energie und in fokusierter Konzentration dem Ziel zu, das grausame Schicksal dieser thailändischen Kinder zu lindern.

Nachdem sie zahllose Hindernisse organisatorischer, finanzieller und interkultureller Art in mühevoller Kleinarbeit, aber mit nie erlahmendem Kampfgeist überwunden hatte, gelang es ihr ein Kinderheim namens 'ban rom sai' für diese Kinder einzurichten. Ihre Mission war, diesen Kindern, deren früher Tod in den meisten Fällen nicht abzuwenden sein würde, dennoch in der kurzen Frist ihres Daseins ein freudiges, heiteres und unbeschwertes Durchhalten zu ermöglichen. 

Diese Arbeit setzt Miwa Natori seit Jahren bis heute fort. Dem Kinderheim ist auch ein Hotel angehängt, in dem Touristen in Nord-Thailand angenehm übernachten können und durch ihren Aufenthalt zum finanziellen Gelingen des Projektes beitragen.

Miwa Natori ist zweifellos eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Sie trägt typische Prägungen der Wohlstandsgesellschaft in den reichen Industrienationen wie Japan und Deutschland in sich. In ihrer oben erwähnten Biographie wird mit verblüffender Offenheit ihre egoistisch- individuelle Selbstbezogenheit, die daraus resultierende Verantwortungslosigkeit gegenüber ihr anvertrauten Menschen und ihre Unfähigkeit, sich in bestehende Gesellschaftsstrukturen einzupassen, dargestellt. Ihre, aus Mitgefühl mit den AIDS kranken Kindern in Thailand bedingte, plötzlich radikale Hinwendung zu einem den Anderem gewidmeten Lebensentwurf widerspricht dem nicht:

Das soziale Abenteuer in einem exotischen Krisengebiet hat Miwa eine völlig neue Umwelt und private Perspektive eröffnet, die sie zuvor in einer wohlstandsgeplagten Welt nicht wahrnehmen konnte. Ihren unstillbaren Drang nach individueller Selbstentfaltung konnte Miwa Natori nunmehr konstruktiv für sich und zugleich die Anderen durch totalitären Einsatz für die Kinder in Einklang bringen.

Man ist errinnert an die Sterbehelferin Lotti Latrous, die sich einmal nach einem Medienbericht als die größte Egoistin der Welt bezeichnet haben soll. Gerade diese von Außen betrachtete Widersprüchlichkeit von einerseits abenteuerlich ausgelebtem, individuellen ersten Lebensabschnitt von Miwa und dem zweiten Lebensabschnitt des sozialen Abenteuers in Thailand rufen großen Respekt vor dieser großartigen Frau hervor.

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Miwas Tochter,  Miho Natori,  trägt alle diese widersprüchlichen, herausfordernden Traditionen ihrer bedeutenden Familie , die auf den beiden Pfeilern "deutsche und japanische Kultur" basiert,  in sich. Im deutsch-japanischen Verhältnis ist sie so zu einer repräsentativen Gestalt geworden, die alle Vorraussetzungen besitzt und entfalten kann, sich in unsere globalisierte Welt zu integrieren.

Zunächst besuchte Miwa Natori die gleiche Kunstgewerbeschule wie ihr Vater in München. Dort studierte sie gewerbliches Design über drei Jahre.1965 kehrte sie nach Japan zurück und fand Arbeit in einer Werbeagentur. Deutscher Lebensstil und Mentalität hatten die junge Frau aber so geprägt, das sie es schwer fand, sich in der von strengen sozialen Konventionen geregelten japanischen Gesellschaft und Berufswelt zurecht zu finden. Ihren individuellen Freiheitsdrang und Raum zur Entfaltung ihrer Kreativität empfand sie stark eingeengt, so dass sie 1966 bereits wieder nach München zurückkehrte.Von Deutschland zog es sie bald in das verlockende und unruhige Paris. Dort tauchte sie ganz in die Hippie Kultur  ヒッピー jener Zeit ein. 1967 kam ihre Mutter Tama nach München, um dort Deutsch zu lernen, wie es heisst. Oder wollte sie nach ihrer Tochter Miwa sehen, um deren französisches Lebensumfeld sie sicher in Sorge war. Jedenfalls zog Miwa zurück nach München zu ihrer Mutter. Dort erwartete sie eine neue, große Lebensherausforderung. Denn als sie dort einen japanischen Kommilitonen ihrer Mutter kennengelernt hatte, verliebte sie sich in ihn und wurde 1968 schwanger.In diesem Zustand kehrte sie mit ihrem Geliebten nach Japan zurück. Jener entstammte der großbürgerlichen Unternehmerfamilie Fujiya  フジ矢株式会社, die mit der Herstellung von westlichen Süsswaren in Japan zu Reputation, Bekanntheit und Vermögen gekommen war. Die Integration in dieses Umfeld war Miwa vom ersten Tag an unmöglich. Umgekehrt dürfte ihre Akzeptanz durch die Familie auch nicht überschwänglich herzlich gewesen sein. So heiratete das junge Paar zwar kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes, aber Miwa liess sich sozusagen in einem Atemzug gleich wieder von ihrem frisch vermählten Ehemann scheiden. Das Sorgerecht für das Kind verblieb bei der Mutter. Dafür verzichtete sie auf Unterhaltsansprüche gegen den Vater. Dennoch sollte dieser sehr viel später für die Ausbildung seiner Tochter großzügig aufkommen.Dieses Kind ist Miho Natori.Nach der Geburt von Miho kehrte die Mutter Miwa mit ihrem Baby 1971 abermals nach München zurück. Zum Lebensunterhalt für die kleine Familie langten  ihre finanziellen Mittel  jedoch nicht. So mußte sie trotz ihres Babys verschiedene Arbeiten annehmen. In dieser Situation kam ihre Mutter Tama zur Pflege des Kleinkindes ebenfalls wieder nach München. Tama soll eine rechtschaffene Dame mit guten hausfraulichen Qualitäten gewesen sein. Ihren Kindern und Enkelkindern bot sie bis zu ihrem Tode einen  Fluchtort in deren nicht selten chaotischen Lebensumständen an.Und diese Situationen reihten sich im Leben von Miwa aneinander. Sei es, dass auch ihre zweite Eheschließung mit einem japanischen Kameramann schnell wieder in einem Desaster auseinanderging. Sei es, dass sie zwischen ihren  beruflichen Feldern teils mit Erfolg, teils ohne Erfolg unablässig wechselte. Für die meist auf sich allein gestellte Tochter Miho brachte dies keine leichte Jugendzeit mit sich. Und doch scheinen sich beide bis heute nahe zu stehen.Im wiederholten Wechsel  zwischen Deutschland und Japan entschloss sich Miwa schließlich Mitte der 90ger Jahre alle ihre lokalen Bezüge zu Japan zu lösen und endgültig nach Europa zu ziehen. Es folgte ein unstetes Nomadenleben. Zwischen temporären Eckpfeilern persönlicher Bindungen und sich dauernd ändernder Wohnorte wanderte sie hin und her. Dies waren einerseits ihre in Deutschland lebende Tochter Miho und ihre in Paris lebenden japanischen Freundinnen und andererseits kurzfristige Aufenthaltsorte in München, Würzburg, in Tirol in Österreich, auf der griechischen Insel Paros im Ägäischen Meer und andere. Psychische Isolation und Vereinsamung waren die Folge. Nach drei Jahren solcher Irrungen und Wirrungen kehrte Miwa mit ihrer Tochter Miho dann schließlich doch wieder nach Japan zurück.Die Ermunterung ihrer deutschen Freundin, der Ärztin Dr. Annerose 'Amu' Akaike, nach Chen Mai in Thailand zu kommen, brachte dann eine dramatische Lebenswende für Miwa Natori. Dieser Besuch brachte sie in unmittelbaren Kontakt mit AIDS infizierten thailändischen Kindern, die unter erbärmlichen Lebensbedingungen auf dem sicheren Weg zum Tod dahin siechten. Ihre Eltern waren zumeist schon vor ihnen an AIDS gestorben, und sie waren aus der lokalen Gesellschaft ausgegrenzt.Diese Erfahrung gab Miwa bei ihrer bisher so unbefriedigenden Suche nach dem Schall der "Trommel in der Ferne" 遠い太鼓 , wie Haruki Murakamis Essay tituliert ist, eine ganz neue Sinngebung für ihr Leben. Sie wandte sich von nun an in unermüdlicher  Energie und in fokusierter Konzentration dem Ziel zu, das grausame Schicksal dieser thailändischen Kinder zu lindern.Nachdem sie zahllose Hindernisse organisatorischer, finanzieller und interkultureller Art in mühevoller Kleinarbeit, aber mit nie erlahmendem Kampfgeist überwunden hatte, gelang es ihr ein Kinderheim namens 'ban rom sai' für diese Kinder einzurichten. Ihre Mission war, diesen Kindern, deren früher Tod in den meisten Fällen nicht abzuwenden sein würde, dennoch in der kurzen Frist ihres Daseins ein freudiges, heiteres und unbeschwertes Durchhalten zu ermöglichen.  Diese Arbeit setzt Miwa Natori seit Jahren bis heute fort. Dem Kinderheim ist auch ein Hotel angehängt, in dem Touristen in Nord-Thailand angenehm übernachten können und durch ihren Aufenthalt zum finanziellen Gelingen des Projektes beitragen.Miwa Natori ist zweifellos eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Sie trägt typische Prägungen der Wohlstandsgesellschaft in den reichen Industrienationen wie Japan und Deutschland in sich. In ihrer oben erwähnten Biographie wird mit verblüffender Offenheit ihre egoistisch- individuelle Selbstbezogenheit, die daraus resultierende Verantwortungslosigkeit gegenüber ihr anvertrauten Menschen und ihre Unfähigkeit, sich in bestehende Gesellschaftsstrukturen einzupassen, dargestellt. Ihre, aus Mitgefühl mit den AIDS kranken Kindern in Thailand bedingte, plötzlich radikale Hinwendung zu einem den Anderem gewidmeten Lebensentwurf widerspricht dem nicht: Das soziale Abenteuer in einem exotischen Krisengebiet hat Miwa eine völlig neue Umwelt und private Perspektive eröffnet, die sie zuvor in einer wohlstandsgeplagten Welt nicht wahrnehmen konnte. Ihren unstillbaren Drang nach individueller Selbstentfaltung konnte Miwa Natori nunmehr konstruktiv für sich und zugleich die Anderen durch totalitären Einsatz für die Kinder in Einklang bringen. Man ist errinnert an die Sterbehelferin Lotti Latrous, die sich einmal nach einem Medienbericht als die größte Egoistin der Welt bezeichnet haben soll. Gerade diese von Außen betrachtete Widersprüchlichkeit von einerseits abenteuerlich ausgelebtem, individuellen ersten Lebensabschnitt von Miwa und dem zweiten Lebensabschnitt des sozialen Abenteuers in Thailand  rufen großen Respekt vor dieser großartigen Frau hervor.                                                            ****Miwas Tochter,  Miho Natori,  trägt alle diese widersprüchlichen, herausfordernden Traditionen ihrer bedeutenden Familie , die auf den beiden Pfeilern deutsche und japanische Kultur basiert,  in sich. Im deutsch-japanischen Verhältnis ist sie so zu einer repräsentativen Gestalt geworden, die alle Vorraussetzungen besitzt und entfalten kann, sich in unsere globalisierte Welt zu integrieren.

Zunächst besuchte Miwa Natori die gleiche Kunstgewerbeschule wie ihr Vater in München. Dort studierte sie gewerbliches Design über drei Jahre.1965 kehrte sie nach Japan zurück und fand Arbeit in einer Werbeagentur. Deutscher Lebensstil und Mentalität hatten die junge Frau aber so geprägt, das sie es schwer fand, sich in der von strengen sozialen Konventionen geregelten japanischen Gesellschaft und Berufswelt zurecht zu finden. Ihren individuellen Freiheitsdrang und Raum zur Entfaltung ihrer Kreativität empfand sie stark eingeengt, so dass sie 1966 bereits wieder nach München zurückkehrte.

Von Deutschland zog es sie bald in das verlockende und unruhige Paris. Dort tauchte sie ganz in die Hippie Kultur  ヒッピー jener Zeit ein. 1967 kam ihre Mutter Tama nach München, um dort Deutsch zu lernen, wie es heisst. Oder wollte sie nach ihrer Tochter Miwa sehen, um deren französisches Lebensumfeld sie sicher in Sorge war. Jedenfalls zog Miwa zurück nach München zu ihrer Mutter. Dort erwartete sie eine neue, große Lebensherausforderung. Denn als sie dort einen japanischen Kommilitonen ihrer Mutter kennengelernt hatte, verliebte sie sich in ihn und wurde 1968 schwanger.

In diesem Zustand kehrte sie mit ihrem Geliebten nach Japan zurück. Jener entstammte der großbürgerlichen Unternehmerfamilie Fujiya  フジ矢株式会社, die mit der Herstellung von westlichen Süsswaren in Japan zu Reputation, Bekanntheit und Vermögen gekommen war. Die Integration in dieses Umfeld war Miwa vom ersten Tag an unmöglich. Umgekehrt dürfte ihre Akzeptanz durch die Familie auch nicht überschwänglich herzlich gewesen sein. So heiratete das junge Paar zwar kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes, aber Miwa liess sich sozusagen in einem Atemzug gleich wieder von ihrem frisch vermählten Ehemann scheiden. Das Sorgerecht für das Kind verblieb bei der Mutter. Dafür verzichtete sie auf Unterhaltsansprüche gegen den Vater. Dennoch sollte dieser sehr viel später für die Ausbildung seiner Tochter großzügig aufkommen.Dieses Kind ist Miho Natori.Nach der Geburt von Miho kehrte die Mutter Miwa mit ihrem Baby 1971 abermals nach München zurück. Zum Lebensunterhalt für die kleine Familie langten  ihre finanziellen Mittel  jedoch nicht. So mußte sie trotz ihres Babys verschiedene Arbeiten annehmen. In dieser Situation kam ihre Mutter Tama zur Pflege des Kleinkindes ebenfalls wieder nach München. Tama soll eine rechtschaffene Dame mit guten hausfraulichen Qualitäten gewesen sein. Ihren Kindern und Enkelkindern bot sie bis zu ihrem Tode einen  Fluchtort in deren nicht selten chaotischen Lebensumständen an.Und diese Situationen reihten sich im Leben von Miwa aneinander. Sei es, dass auch ihre zweite Eheschließung mit einem japanischen Kameramann schnell wieder in einem Desaster auseinanderging. Sei es, dass sie zwischen ihren  beruflichen Feldern teils mit Erfolg, teils ohne Erfolg unablässig wechselte. Für die meist auf sich allein gestellte Tochter Miho brachte dies keine leichte Jugendzeit mit sich. Und doch scheinen sich beide bis heute nahe zu stehen.Im wiederholten Wechsel  zwischen Deutschland und Japan entschloss sich Miwa schließlich Mitte der 90ger Jahre alle ihre lokalen Bezüge zu Japan zu lösen und endgültig nach Europa zu ziehen. Es folgte ein unstetes Nomadenleben. Zwischen temporären Eckpfeilern persönlicher Bindungen und sich dauernd ändernder Wohnorte wanderte sie hin und her. Dies waren einerseits ihre in Deutschland lebende Tochter Miho und ihre in Paris lebenden japanischen Freundinnen und andererseits kurzfristige Aufenthaltsorte in München, Würzburg, in Tirol in Österreich, auf der griechischen Insel Paros im Ägäischen Meer und andere. Psychische Isolation und Vereinsamung waren die Folge. Nach drei Jahren solcher Irrungen und Wirrungen kehrte Miwa mit ihrer Tochter Miho dann schließlich doch wieder nach Japan zurück.Die Ermunterung ihrer deutschen Freundin, der Ärztin Dr. Annerose 'Amu' Akaike, nach Chen Mai in Thailand zu kommen, brachte dann eine dramatische Lebenswende für Miwa Natori. Dieser Besuch brachte sie in unmittelbaren Kontakt mit AIDS infizierten thailändischen Kindern, die unter erbärmlichen Lebensbedingungen auf dem sicheren Weg zum Tod dahin siechten. Ihre Eltern waren zumeist schon vor ihnen an AIDS gestorben, und sie waren aus der lokalen Gesellschaft ausgegrenzt.Diese Erfahrung gab Miwa bei ihrer bisher so unbefriedigenden Suche nach dem Schall der "Trommel in der Ferne" 遠い太鼓 , wie Haruki Murakamis Essay tituliert ist, eine ganz neue Sinngebung für ihr Leben. Sie wandte sich von nun an in unermüdlicher  Energie und in fokusierter Konzentration dem Ziel zu, das grausame Schicksal dieser thailändischen Kinder zu lindern.Nachdem sie zahllose Hindernisse organisatorischer, finanzieller und interkultureller Art in mühevoller Kleinarbeit, aber mit nie erlahmendem Kampfgeist überwunden hatte, gelang es ihr ein Kinderheim namens 'ban rom sai' für diese Kinder einzurichten. Ihre Mission war, diesen Kindern, deren früher Tod in den meisten Fällen nicht abzuwenden sein würde, dennoch in der kurzen Frist ihres Daseins ein freudiges, heiteres und unbeschwertes Durchhalten zu ermöglichen.  Diese Arbeit setzt Miwa Natori seit Jahren bis heute fort. Dem Kinderheim ist auch ein Hotel angehängt, in dem Touristen in Nord-Thailand angenehm übernachten können und durch ihren Aufenthalt zum finanziellen Gelingen des Projektes beitragen.Miwa Natori ist zweifellos eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Sie trägt typische Prägungen der Wohlstandsgesellschaft in den reichen Industrienationen wie Japan und Deutschland in sich. In ihrer oben erwähnten Biographie wird mit verblüffender Offenheit ihre egoistisch- individuelle Selbstbezogenheit, die daraus resultierende Verantwortungslosigkeit gegenüber ihr anvertrauten Menschen und ihre Unfähigkeit, sich in bestehende Gesellschaftsstrukturen einzupassen, dargestellt. Ihre, aus Mitgefühl mit den AIDS kranken Kindern in Thailand bedingte, plötzlich radikale Hinwendung zu einem den Anderem gewidmeten Lebensentwurf widerspricht dem nicht: Das soziale Abenteuer in einem exotischen Krisengebiet hat Miwa eine völlig neue Umwelt und private Perspektive eröffnet, die sie zuvor in einer wohlstandsgeplagten Welt nicht wahrnehmen konnte. Ihren unstillbaren Drang nach individueller Selbstentfaltung konnte Miwa Natori nunmehr konstruktiv für sich und zugleich die Anderen durch totalitären Einsatz für die Kinder in Einklang bringen. Man ist errinnert an die Sterbehelferin Lotti Latrous, die sich einmal nach einem Medienbericht als die größte Egoistin der Welt bezeichnet haben soll. Gerade diese von Außen betrachtete Widersprüchlichkeit von einerseits abenteuerlich ausgelebtem, individuellen ersten Lebensabschnitt von Miwa und dem zweiten Lebensabschnitt des sozialen Abenteuers in Thailand  rufen großen Respekt vor dieser großartigen Frau hervor.                                                           

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Miwas Tochter,  Miho Natori,  trägt alle diese widersprüchlichen, herausfordernden Traditionen ihrer bedeutenden Familie , die auf den beiden Pfeilern deutsche und japanische Kultur basiert,  in sich. Im deutsch-japanischen Verhältnis ist sie so zu einer repräsentativen Gestalt geworden, die alle Vorraussetzungen besitzt und entfalten kann, sich in unsere globalisierte Welt zu integrieren.

Zunächst besuchte Miwa Natori die gleiche Kunstgewerbeschule wie ihr Vater in München. Dort studierte sie gewerbliches Design über drei Jahre.1965 kehrte sie nach Japan zurück und fand Arbeit in einer Werbeagentur. Deutscher Lebensstil und Mentalität hatten die junge Frau aber so geprägt, das sie es schwer fand, sich in der von strengen sozialen Konventionen geregelten japanischen Gesellschaft und Berufswelt zurecht zu finden. Ihren individuellen Freiheitsdrang und Raum zur Entfaltung ihrer Kreativität empfand sie stark eingeengt, so dass sie 1966 bereits wieder nach München zurückkehrte.Von Deutschland zog es sie bald in das verlockende und unruhige Paris. Dort tauchte sie ganz in die Hippie Kultur  ヒッピー jener Zeit ein. 1967 kam ihre Mutter Tama nach München, um dort Deutsch zu lernen, wie es heisst. Oder wollte sie nach ihrer Tochter Miwa sehen, um deren französisches Lebensumfeld sie sicher in Sorge war. Jedenfalls zog Miwa zurück nach München zu ihrer Mutter. Dort erwartete sie eine neue, große Lebensherausforderung. Denn als sie dort einen japanischen Kommilitonen ihrer Mutter kennengelernt hatte, verliebte sie sich in ihn und wurde 1968 schwanger.In diesem Zustand kehrte sie mit ihrem Geliebten nach Japan zurück. Jener entstammte der großbürgerlichen Unternehmerfamilie Fujiya  フジ矢株式会社, die mit der Herstellung von westlichen Süsswaren in Japan zu Reputation, Bekanntheit und Vermögen gekommen war. Die Integration in dieses Umfeld war Miwa vom ersten Tag an unmöglich. Umgekehrt dürfte ihre Akzeptanz durch die Familie auch nicht überschwänglich herzlich gewesen sein. So heiratete das junge Paar zwar kurz vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes, aber Miwa liess sich sozusagen in einem Atemzug gleich wieder von ihrem frisch vermählten Ehemann scheiden. Das Sorgerecht für das Kind verblieb bei der Mutter. Dafür verzichtete sie auf Unterhaltsansprüche gegen den Vater. Dennoch sollte dieser sehr viel später für die Ausbildung seiner Tochter großzügig aufkommen.Dieses Kind ist Miho Natori.Nach der Geburt von Miho kehrte die Mutter Miwa mit ihrem Baby 1971 abermals nach München zurück. Zum Lebensunterhalt für die kleine Familie langten  ihre finanziellen Mittel  jedoch nicht. So mußte sie trotz ihres Babys verschiedene Arbeiten annehmen. In dieser Situation kam ihre Mutter Tama zur Pflege des Kleinkindes ebenfalls wieder nach München. Tama soll eine rechtschaffene Dame mit guten hausfraulichen Qualitäten gewesen sein. Ihren Kindern und Enkelkindern bot sie bis zu ihrem Tode einen  Fluchtort in deren nicht selten chaotischen Lebensumständen an.Und diese Situationen reihten sich im Leben von Miwa aneinander. Sei es, dass auch ihre zweite Eheschließung mit einem japanischen Kameramann schnell wieder in einem Desaster auseinanderging. Sei es, dass sie zwischen ihren  beruflichen Feldern teils mit Erfolg, teils ohne Erfolg unablässig wechselte. Für die meist auf sich allein gestellte Tochter Miho brachte dies keine leichte Jugendzeit mit sich. Und doch scheinen sich beide bis heute nahe zu stehen.Im wiederholten Wechsel  zwischen Deutschland und Japan entschloss sich Miwa schließlich Mitte der 90ger Jahre alle ihre lokalen Bezüge zu Japan zu lösen und endgültig nach Europa zu ziehen.Es folgte ein unstetes Nomadenleben. Zwischen temporären Eckpfeilern persönlicher Bindungen und sich dauernd ändernder Wohnorte wanderte sie hin und her. Dies waren einerseits ihre in Deutschland lebende Tochter Miho und ihre in Paris lebenden japanischen Freundinnen und andererseits kurzfristige Aufenthaltsorte in München, Würzburg, in Tirol in Österreich, auf der griechischen Insel Paros im Ägäischen Meer und andere. Psychische Isolation und Vereinsamung waren die Folge. Nach drei Jahren solcher Irrungen und Wirrungen kehrte Miwa mit ihrer Tochter Miho dann schließlich doch wieder nach Japan zurück.
Die Ermunterung ihrer deutschen Freundin, der Ärztin Dr. Annerose 'Amu' Akaike, nach Chen Mai in Thailand zu kommen, brachte dann eine dramatische Lebenswende für Miwa Natori. Dieser Besuch brachte sie in unmittelbaren Kontakt mit AIDS infizierten thailändischen Kindern, die unter erbärmlichen Lebensbedingungen auf dem sicheren Weg zum Tod dahin siechten. Ihre Eltern waren zumeist schon vor ihnen an AIDS gestorben, und sie waren aus der lokalen Gesellschaft ausgegrenzt.
 
Diese Erfahrung gab Miwa bei ihrer bisher so unbefriedigenden Suche nach dem Schall der "Trommel in der Ferne" 遠い太鼓 , wie Haruki Murakamis Essay tituliert ist, eine ganz neue Sinngebung für ihr Leben. Sie wandte sich von nun an in unermüdlicher  Energie und in fokusierter Konzentration dem Ziel zu, das grausame Schicksal dieser thailändischen Kinder zu lindern.Nachdem sie zahllose Hindernisse organisatorischer, finanzieller und interkultureller Art in mühevoller Kleinarbeit, aber mit nie erlahmendem Kampfgeist überwunden hatte, gelang es ihr ein Kinderheim namens 'ban rom sai' für diese Kinder einzurichten. Ihre Mission war, diesen Kindern, deren früher Tod in den meisten Fällen nicht abzuwenden sein würde, dennoch in der kurzen Frist ihres Daseins ein freudiges, heiteres und unbeschwertes Durchhalten zu ermöglichen.  Diese Arbeit setzt Miwa Natori seit Jahren bis heute fort. Dem Kinderheim ist auch ein Hotel angehängt, in dem Touristen in Nord-Thailand angenehm übernachten können und durch ihren Aufenthalt zum finanziellen Gelingen des Projektes beitragen.Miwa Natori ist zweifellos eine aussergewöhnliche Persönlichkeit. Sie trägt typische Prägungen der Wohlstandsgesellschaft in den reichen Industrienationen wie Japan und Deutschland in sich. In ihrer oben erwähnten Biographie wird mit verblüffender Offenheit ihre egoistisch- individuelle Selbstbezogenheit, die daraus resultierende Verantwortungslosigkeit gegenüber ihr anvertrauten Menschen und ihre Unfähigkeit, sich in bestehende Gesellschaftsstrukturen einzupassen, dargestellt. Ihre, aus Mitgefühl mit den AIDS kranken Kindern in Thailand bedingte, plötzlich radikale Hinwendung zu einem den Anderem gewidmeten Lebensentwurf widerspricht dem nicht: Das soziale Abenteuer in einem exotischen Krisengebiet hat Miwa eine völlig neue Umwelt und private Perspektive eröffnet, die sie zuvor in einer wohlstandsgeplagten Welt nicht wahrnehmen konnte. Ihren unstillbaren Drang nach individueller Selbstentfaltung konnte Miwa Natori nunmehr konstruktiv für sich und zugleich die Anderen durch totalitären Einsatz für die Kinder in Einklang bringen. Man ist errinnert an die Sterbehelferin Lotti Latrous, die sich einmal nach einem Medienbericht als die größte Egoistin der Welt bezeichnet haben soll. Gerade diese von Außen betrachtete Widersprüchlichkeit von einerseits abenteuerlich ausgelebtem, individuellen ersten Lebensabschnitt von Miwa und dem zweiten Lebensabschnitt des sozialen Abenteuers in Thailand  rufen großen Respekt vor dieser großartigen Frau hervor.                                                  
 
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